Ruf der Dunkelheit
Rauschen, ähnlich eines reißenden Flusses, der einen Abhang hinunterstürzt. Hektisch wand ich mich um, doch Damian war nirgends zu sehen. Stattdessen wurden meine empfindlichen Ohren von diesem ungeheuren Lärm erfüllt. Immer lauter und lauter dröhnte es in meinem Kopf. Ich hielt meinen Kopf zwischen meinen Händen fest und sank auf die Knie.
Ich schnappte nach Luft, doch es schien, als ob sich mein Mund statt mit Sauerstoff, mit Wasser füllen würde. Hustend und keuchend fiel ich vorne über und stütze mich am Boden ab. Noch ein verzweifelter Atemzug, doch ich verschluckte mich und ein brennender Schmerz breitete sich in meinen Lungenflügeln aus. Das Brennen loderte auf zu einem Feuer, das in meiner Brust wütete. Ich hustete, würgte und versuche zu schreien, doch als erneut der Atemreflex einsetzte, entwich mir nicht mehr, als ein Röcheln. Mein Körper erschlaffte, fiel zur Seite und ich wusste, der Kampf war verloren. Ich schoss die Augen, doch im selben Moment ging ein Ruck durch mich hindurch. Schlagartig riss ich meine Lider auf, sah die Decke mit den Holzpaneelen über mir, die zu dem Raum gehörten, in dem ich mich schon einige Male wiedergefunden hatte.
Mit einem lauten, zischenden Atemzug fuhr mein Körper nach oben, geriet ins Taumeln, während die verschwommenen Umrisse der Einrichtung an mir vorbeischrammten und ich hart mit dem Kopf am Boden auftraf. Die Holzbohlen knarrten unter meinem Gewicht und ich blieb einfach regungslos liegen, wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Plötzlich erschien ein Gesicht in meinem Blickfeld. Angestrengt versuchte ich den Kopf zu heben, doch Hände ergriffen meinen eiskalten Körper und drehten mich herum. Und da erkannte ich das Gesicht, erkannte die violetten, liebevollen Augen, die mich aufmerksam und besorgt musterten.
„Tamara?“ Aus meiner ausgedörrten Kehle kam nur ein raues Krächzen.
„Julian!“ Ich konnte die Erleichterung hören, die in ihrer Stimme mitschwang, als sich ihre Hände um mein Gesicht schlossen und ich ihren warmen, weichen Mund auf meinen spröden Lippen spürte. Als sie sich aufrichtete, nahm ich alle Kraft zusammen, um ihr etwas zu sagen. Doch mehr als „Durst …“, brachte ich nicht heraus. Doch sie schien sofort zu verstehen und sah zu jemandem auf, der ihr eine Blutkonserve in die Hand gab.
Als sie die Öffnung an meinen Mund führte und die ersten Tropfen in meine brennende Kehle strömten, schloss ich seufzend die Augen. Ich legte meine Lippen um das weiche Plastik und begann zu saugen – gierig, verdurstend. Viel zu schnell versiegte der stärkende, rote Lebenssaft und ich öffnete unwillig meine Lider. Dennoch spürte ich, wie langsam wieder Leben in meine kalten, steifen Glieder zurückkehrte. Ich konnte mich ein wenig aufsetzten, wenngleich meine Bewegungen sehr abgehackt und fahrig waren. Doch ich sah das Lächeln, das sich zaghaft über Tamaras Gesicht ausgebreitet hatte und ihre Augen glänzten nass. „Oh Julian!“ Schluchzend drückte sie ihr Gesicht an meine Brust und ich legte meine Arme um ihren bebenden Körper. Ich spürte ihre heißen Tränen, die ihre Wangen hinunterliefen und mein T-Shirt durchtränkten. Und während ich meine über alles geliebte Gefährtin im Arm hielt, kamen langsam die Erinnerungen an die schreckliche Nacht zurück, als ich Tamara einfach stehen gelassen hatte, wie ein Feigling davon gelaufen war und die junge Frau getötet hatte. Ich schluckte hart und mein Herz schlug schmerzhaft gegen mein Brustbein. Doch trotz meines schlechten Gewissens stellte ich noch etwas fest, als ich tief in mein Innerstes hineinhörte – ich fühlte mich ausgeglichen und ruhig, wie schon lange nicht mehr. Als wäre dieses Gefühl eine vage Erinnerung, die nun wieder an die Oberfläche zurückkehrte.
Tamara hob den Kopf und ich sah in ihr tränennasses Gesicht. „Wie geht es dir?“, flüsterte sie zaghaft und strich über meine Wange. Ich sah sie einen Moment lang an, dann antwortete ich wahrheitsgemäß: „Gut … ich … fühle mich gut.“ Und ich konnte beobachten, wie ihre Brauen fragend nach oben schnellten. So als warte sie darauf, dass ich noch etwas hinzufügen würde, doch da gab es nichts hinzuzufügen.
Etwas später, draußen war es schon dunkel geworden, stieg ich wackelig die Treppe hinunter. Ich hatte auf Olivias Rat hin, ein wenig geschlafen, um meinem Körper zu helfen, sich schneller zu regenerieren. Was auch immer das für ein Gift gewesen war, das da in mir gewütet
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