Ruf der Geister (German Edition)
dort sein durfte und wer nicht. Es gab Seelen, die ihn dort besuchten, aber diese waren ihm einst nah gewesen. Er vertraute ihnen und hatte sie auf verschiedene Weise geliebt.
Zu Hause ließ er sein en Schlüsselbund auf die Kommode fallen, jonglierte die Nudeln auf den Tisch und schmiss seinen Mantel achtlos auf die Couch. Ein Kratzen an der Tür ließ ihn lächeln. Er öffnete sie wieder und ein getigerter Kater stolzierte in die Wohnung.
„Na, Sam? Ist Luise einkaufen und du willst dir deinen kleinen Hintern nicht abfrieren?“
Sam miaute und hüpfte auf den Tisch – dem Geruch der Nudeln folgend.
„Oh nein, Bürschchen! Das ist mein Abendessen!“
Aus dem Kühlschrank holte er eine Scheibe Putenbrust und hielt sie dem Kater hin.
„Hier. Hol sie dir, Tiger.“
Geschickt hieb das Tier mit der Pfote nach der Wurst und schlug ihm die Scheibe aus der Hand. Amüsiert setzte sich Joshua an den Tisch und aß genüsslich. Sam war unruhig, ging zur Tür und quäkte, weil er hinauswollte. Joshua wischte sich über den Mund, dann tat er ihm den Gefallen, hängte seinen Mantel schließlich an den Haken und ließ sich auf die Couch fallen. Trotz Heizung war es kühl in der Wohnung und er fischte nach der Wolldecke, die hinter dem Sofa lag. Als er sich gerade hingesetzt hatte und den Fernseher einschalten wollte, klingelte es.
Mühsam hievte er sich wieder aus der gemütlichen Position, betätigte den Drücker und wartete, wer wohl so spät noch zu Besuch kam.
Es war Julian. Joshua sah das zitternde Bündel erschr ocken an. Eine Wunde war an seiner Schläfe und Blut rann ihm die Wange hinunter.
„Gott! Was ist passiert?!“ Rasch zog Joshua den Ju ngen ins Warme. „Wo ist deine Jacke?“
Julian wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Ich … ich hab sie dagelassen.“
Joshua dirigierte ihn zur Couch, griff nach der Decke und hüllte den Jungen darin ein.
„Warte .“
Rasch holte er Verbandsmaterial, säuberte Julians Ve rletzung im Gesicht und klebte ein Pflaster auf die Wunde.
Joshua bemerkte, dass Julian nicht richtig sitzen kon nte.
„Komm, leg dich hin. Es ist okay.“
„Er hat mich ein bisschen zu hart rangenommen“, schluchzte er.
„Das sehe ich. Bist du weggerannt?“
„Ja, ich hatte echt Angst, Josh! Mann, ich hab meine blöde Jacke liegen gelassen!“
„Ich werde morgen mal nachschauen, ob ich sie finde. Möchtest du duschen?“
„Würde das gehen?“
„Ja sicher. Aber pass auf das Pflaster auf.“
„Kriegst du Ärger, weil ich hier bin?“
Joshua wuschelte ihm durch das zerzauste Haar, dessen Farbe ihn immer an Haselnüsse erinnerte. „Nur wenn du versuchst, mich zu verführen.“
Julian lachte freudlos und richtete sich vorsichtig auf.
„Das Bad ist rechts um die Ecke.“
Als der Junge hinter der Tür verschwand, breitete sich tiefe Sorge in Joshua aus. Was tat er nur mit ihm? So konnte es auf keinen Fall weitergehen! Das Prasseln der Dusche beruhigte ihn. Nun war er hier und niemand kon nte Julian heute Nacht etwas antun.
Nach einiger Zeit kam er aus dem Bad. Unschlüssig stand er da. Joshua zog ihn zurück auf das Sofa und dec kte ihn zu.
„Hast du was gegessen?“
„Nur das von heute Morgen.“
„Okay, ich mach dir was.“
In der Küche bereitete er dem Jungen einige Brote zu, griff noch nach einem Joghurt und stellte das Essen vor Julian auf den Wohnzimmertisch. Dankbar schlang Julian die Mahlzeit hinunter.
„Sag mal, wirst du eigentlich beschattet, oder hast du eine neue Verehrerin?“
„Was? Ich kapier kein Wort.“
„Na ja, ich stand ‘ne ganze Weile draußen am Eingang, bis ich die Traute hatte, bei dir zu klingeln. Hab mir fast die Eier abgefroren! Draußen sitzt eine wirklich heiße Schnecke in ‘nem silbernen Audi und beobachtet dein Fenster. “
Neugierig schaltete Joshua das Licht aus, ging zum Fenster und sah gespannt hinaus. Ein Lächeln entschlüpfte ihm. Lea Schmidt stand mit ihrem Wagen auf einem der Parkplätze der Siedlung und fixierte sein Fenster.
Mit einem verhaltenen Rülpser kuschelte sich Julian zurück auf die Couch und schloss entkräftet die Augen.
Nachdenklich knabberte Joshua an seinem Daumennagel. Mit einem zufriedenen Geräusch machte er einen Pott Kaffee, wagte sich in die Kälte und klopfte bei der lächelnden Lea an die Autoscheibe.
„Coffee-to-go gefällig, Frau Schmidt?“
Lea stieg aus dem Auto und griff nach der heißen Tasse. „Mann, ich dachte echt, du kommst nie! Ich hab schon taube Füße!“
„Du
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