Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
sah es so aus, als schlafe er bloß. Beruhigt zog sie ihm die Decke bis unters Kinn, wickelte sich dann in einen Umhang und machte es sich vor dem flackernden Kaminfeuer gemütlich. Mit einer heißen, deftigen Suppe im Bauch und nach einem kräftigen Rotwein, der anscheinend aus einem guten Gascogne-Jahrgang stammte, fühlte sie sich erheblich gestärkt.
Ja – an das Leben auf Fontaine konnte man sich tatsächlich leicht gewöhnen.
Hugues hatte sie nicht mehr zu Gesicht bekommen, seit er seinen Knappen hierher getragen hatte. Sie konnte nur hoffen, dass er so vernünftig war, sein Kettenhemd endlich abzulegen. Als sie ihn dementsprechend angewiesen hatte, da hatte seine einzige Antwort in einem energischen Kuss bestanden, und zwar vor aller Augen. Sophie war unter Jeans und Louises Blicken schamrot aus dem Saal geflüchtet.
Diese Unverschämtheit würde sie ihm noch heimzahlen, nahm sie sich vor und schmunzelte vor lauter Vorfreude still in sich hinein.
Plötzlich schreckte ein Klopfen an der Tür sie auf, und nach einem „Herein“ betrat eine lächelnde Louise das Zimmer.
„Wie geht es unserem Luc?“, erkundigte sie sich.
„Jetzt schläft er.“
„Wunderbar.“ Sie hatte ein blassviolettes Bündel dabei, das sie Sophie reichte. „Ich bringe dir Gewand und Unterkleid“, erklärte sie.
Sophie nahm die Sachen erstaunt entgegen und befühlte bewundernd die weiche Wolle. „So etwas Feines kann ich doch unmöglich annehmen“, warf sie ein.
Louise winkte ab. „Dann fressen es die Motten, denn ich kann es ohnehin nicht mehr tragen“, unterstrich sie und tätschelte sich den sanft gewölbten Leib. „Zwei Kinder – da ist meine Figur nicht mehr so wie früher.“
Ehe sie sich das Unterkleid überstreifte, musterte Sophie die schlanke Hausherrin eingehend und beschloss, ihr einige Fragen zu stellen. „Wie alt sind denn die Kinder?“, forschte sie, in der Hoffnung, möglichst gelassen zu klingen.
Louise lachte. „Sprich mich auf die Rangen lieber nicht an“, riet sie gutmütig. „Jean nörgelt immer, ich könne gar nicht mehr aufhören, wenn ich erst damit anfange, von den Kindern zu reden.“ Sie ließ sich beim Feuer auf eine Bank nieder, bedachte den schlafenden Luc mit einem fürsorglichen Blick und sah Sophie beim Ankleiden zu. „Für mich sind sie ja beide Engel, wenngleich Michel …“, sie wedelte mit dem Zeigefinger, „… in jüngster Zeit nach seinem Vater schlägt, wenn’s um Schabernack geht.“
„Er ist der Älteste, nicht wahr?“
„Ja, gerade zwei Jahre alt und trumpft auf wie ein Jüngling von zwanzig Lenzen.“ Louise erhob sich und half Sophie beim Schließen der Schnüre an den Seiten des veilchenblauen Gewandes, wobei sie mit schräg gelegtem Kopf prüfend den Sitz des Kleidungsstückes begutachtete. „Es steht dir wirklich vortrefflich“, betonte sie und verzog das Gesicht, als sie Sophies Taille betrachtete. „Ach, wenn man bedenkt, dass ich auch einmal so schlank war“, seufzte sie achselzuckend.
„Schlank bist du doch nach wie vor“, widersprach Sophie.
Louise verdrehte die Augen und schaute auf ihre vollen Brüste. „Jean hat zwar nichts einzuwenden gegen meine weiblichen Rundungen, doch mir wäre etwas weniger lieber“, sagte sie schmollend, wobei sie eine der Brüste prüfend anhob. Die Lippen verdrossen geschürzt, sah sie, wie sich sofort an der Brustspitze ein nasser Fleck bildete. „Aha, offenbar ist es bald soweit, dass du meinen jüngsten Engel kennenlernst“, bemerkte sie und bezog sich dabei auf die Muttermilch, die bereits ins Gewand tröpfelte.
„Dann liegt die Geburt wohl nicht lange zurück?“, fragte Sophie, und als die Hausherrin dies mit einem Kopfnicken bejahte, schlug ihr Herz schneller.
„Erst fünf Monate“, bestätigte Louise und beäugte stirnrunzelnd den Fleck auf ihrem Gewand. „Komm doch zum Haarflechten mit in meine Kemenate; das Kleine muss gestillt werden. Soll ich jemanden rufen lassen, der auf Luc achtgibt?“
Sophie drehte sich zu dem schlafenden Knappen um und winkte ab. „Das ist wohl nicht notwendig“, versicherte sie und folgte der Hausherrin aufgeregt zu deren Gemach.
„Nur nicht so zögerlich, Sophie“, mahnte Louise freundlich, als der Gast auf der Schwelle einer reich ausgestatteten Schlafkammer stehen blieb. „Ich habe ohnehin bereits das Gefühl, als würde ich dich schon lange kennen.“
Sophie schloss die Tür hinter sich und sah, wie Louise ein kleines Bündel aus der Wiege hob, die neben dem
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