Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
können, kaum dass sie ihren Weg aufs Neue gemeinsam gingen.
„Hugues de Pontesse!“, schimpfte sie, als sie aus dem Sattel glitt.„Hast du denn kein Fünkchen Verstand im Kopf?“ Gereizt warf sie die Zügel beiseite, ging um den Zelter herum und baute sich zornig vor dem Angesprochenen auf. „Was soll das dem armen Kerl nützen, wenn du ihn an die kalten Stahlringe von deinem Hauberk presst?“
„Wir sind schließlich durch feindliches Gelände geritten“, konterte er verbissen und stieg nun ebenfalls vorsichtig vom Pferd. „Da ist es nur vernünftig, wenn man sich wappnet.“
„Ach ja“, versetzte Sophie sarkastisch, die Hände in die Hüften gestemmt. „Besonders, wenn man einen so lebensgefährlichen Marsch unternimmt wie wir heute.“
„Man kann doch nie wissen, auf wen oder was man unterwegs trifft“, wandte er störrisch ein.
„Und was hätte dir da dein Kettenhemd genützt?“, giftete sie ihn an. „Hätte der Waldbrand dich eingeschlossen, wärest du in dem Ding gewiss geröstet worden.“ Schon bei dem Gedanken wurde ihr flau im Magen, doch nun geriet sie erst richtig in Fahrt. „Gut möglich, dass du dir einen schlimmen Husten eingefangen hast“, unterstrich sie, indem sie ihm den ausgestreckten Finger vor die Brust stieß. Allein die Berührung des kalten Stahls jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
„Hugues“, begann sie erneut, ohne jedoch recht zu wissen, ob sie ihn weiter ausschimpfen oder ihm lieber ihre Befürchtungen mitteilen sollte. Doch es fehlten ihr die Worte, und sie musste schon mit den Tränen kämpfen, die ihr in die Augen traten. Hugues machte den Anschein, als wolle er ihr widersprechen, aber da ließ eine fremde Stimme sie beide erschrocken zusammenfahren.
„Darf ich annehmen, dass diese Dame die Sophie ist, von der ich schon so viel hörte?“, rief eine kräftige Männerstimme.
Errötend wandte Sophie sich um und blickte geradewegs in die funkelnden Augen eines hünenhaften, dunkelhaarigen Ritters. Unschlüssig drehte sie sich zu Hugues um, wusste sie doch nicht, was er über sie erzählt hatte. Er wirkte ausgesprochen verlegen.
Was mochte er wohl über sie gesagt haben? Erneut geriet sie in Rage, denn nach den Strapazen der letzten Tage hatte sie sich nicht mehr vollends im Griff. Trotzig verbiss sie sich die Tränen und sah den Fremden mit einem gezwungenen Lächeln an.
„Sophie, ich darf dir meinen Schwager vorstellen“, brummte Hugues, offenbar vollkommen überrumpelt durch diesen Zwischenfall. „Ritter Jean de Fontaine.“
Der Burgherr verneigte sich tief und führte dann Sophies Handrücken an seine Lippen. „Ich bin entzückt“, sagte er und zwinkerte Hugues verstohlen zu, dem sichtlich der Kamm schwoll ob dieser vertraulichen Geste.
Geschieht ihm recht!, dachte Sophie schadenfroh und musste sich sogar ein Schmunzeln verkneifen. Er hatte es nicht anders verdient, denn sie betrachtete es als eine Frechheit, dass er mit Fremden über sie gesprochen hatte. Dabei war sie doch überzeugt gewesen, dass er auf immer aus ihrem Leben entschwunden sei!
„Die Freude ist ganz meinerseits“, entgegnete sie kokett und bemerkte nicht ohne gewisse Häme, dass Hugues mit dieser Wendung der Ereignisse offenbar ganz und gar nicht einverstanden war. „Das hier ist also Euer Schloss?“ Mit voller Absicht legte sie eine übertriebene Bewunderung in ihre Stimme.
„Ganz recht“, bestätigte Jean voller Stolz. „Alles mein Besitz, und zuvor der meines Vaters. Dürfte ich wohl um das Vergnügen bitten, Euch das Haus einmal zu zeigen?“ Er grinste auf eine solch spitzbübische Weise, dass Sophie gar nicht umhinkam, ihm mit einem verhaltenen Schmunzeln zu antworten. Dieser Jean war ein Schelm, das sah man sofort – allerdings ein sehr liebenswürdiger.
„Wir brauchen keine Schlossführung“, fuhr Hugues scharf dazwischen, „sondern Wärme und trockene Kleidung!“
Jean lachte schallend und entschuldigte sich galant. „Verzeihung, aber im Angesicht einer schönen Dame vergesse ich mich wohl.“
Für Sophies Gefühl übertrieb er es zwar ein wenig mit dieser Bemerkung, doch Hugues blickte verdrießlich drein wie drei Tage Regenwetter. Also trat Jean einen Schritt zurück und wies mit einer schwungvollen, einladenden Geste auf die Pforte zum Rittersaal. Sophie musste sich zurückhalten, dass sie angesichts des Reichtums ringsum nicht vor lauter Staunen ins Gaffen geriet.
Das Burgtor, das sie inzwischen hinter sich gelassen hatten, lag genau in der
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