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Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Titel: Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delacroix Claire
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die ihr durch den Kopf wirbelten. Ganz gleich, wer sie gestillt und aufgezogen hatte, musste doch ein Teil von ihr, und sei er noch so winzig, ein Widerhall jener Frau sein, die sie zur Welt gebracht hatte. Hélène blinzelte mehrmals und wandte einen Herzschlag lang den Blick ab, sodass Sophie sich fragte, ob ihre Augen wohl verraten würden, was sie dachte.
    Dann aber fasste Hélène sich wieder. „Es liegt nicht in der Natur der Männer, so etwas zu verstehen“, gestand sie, „doch sollst du wissen, dass Gaillard heute Abend im Zorn sprach, wie man es von den Mannsbildern gewohnt ist. Er würde dich ebenso wenig verstoßen wie ich. Selbst jetzt nicht.“
    „Das verstehe ich nicht“, brachte Sophie mühsam heraus, nun noch verwirrter als zuvor und von Gefühlen schier überwältigt. Wieso sollte Gaillard solche Grausamkeiten aussprechen und dann so tun, als sei das alles nicht so gemeint gewesen?
    Traurig schüttelte Hélène den Kopf und liebkoste der Jüngeren zärtlich die Wange. „Es ist lang her, dass du zu uns kamst, Sophie“, sagte sie nachdenklich. „Da muss dir doch klar sein, dass wir dich nicht einfach verstoßen könnten.“
    „Jetzt begreife ich allmählich gar nichts mehr“, stammelte Sophie verstört, denn genau das war ihr zuvor durch den Kopf gegangen.
    Wieder lag ein verhaltenes Lächeln auf Hélènes Gesicht. „Ich habe dich lieb, mein Kind“, flüsterte sie eindringlich, indem sie Sophies Gesicht mit beiden Händen umfasste. Als sie den Zweifel in ihren Augen sah, schüttelte sie stirnrunzelnd den Kopf und sah Sophie mit einem fest entschlossenen Blick an. „Einerlei, wie alles begann, bist du ein Teil dieser Familie. Damals gelobte ich, dich als mein eigenes Kind aufzuziehen, und dieses Versprechen werde ich halten bis zum allerletzten Atemzug.“
    „Aber dein eigenes Kind bin ich doch nicht“, wandte Sophie wie unter Zwang ein.
    „Ach nein?“, fragte Hélène, in deren leiser Stimme neu gewonnene Beherztheit mitschwang. „Die Zeugung eines Kindes ist nur ein flüchtiger Augenblick. Ich aber habe achtzehn Sommer lang dazu beigetragen, dass du heranwächst zu der Frau, die du jetzt bist.“
    Als Sophie weiterhin eisern schwieg, fuhr Hélène fort: „Ich begreife, dass du gegenüber der Frau, die dich gebar, ein neues Gefühl der Verbundenheit empfindest. Aber denk einmal nach, Kind: Welche Frau gab wohl in Wahrheit mehr? Jene, die dich im Stich ließ, oder diejenige, welche dich aufnahm?“
    Sophie war nicht in der Lage, dem Blick der Älteren zu begegnen, weil sie immer noch von Zweifeln erfüllt war. Stattdessen drückte Sophie ihr einen Kuss in beide Handflächen und wandte sich einen Augenblick ab.
    Stimmte es denn tatsächlich, dass sie ein Teil dieser Familie war, ebenso wie die männlichen Kinder? Dass ihre Abstammung rein gar nichts zu ihrem Werdegang beigetragen hatte? Wenn da wirklich kein Unterschied bestand – wieso hatte Gaillard sich dann veranlasst gesehen, auf ihre Wurzeln zu verweisen?
    „Was meinte Papa denn, als er mich ein Kind der Walpurgisnacht nannte?“, fragte sie und hatte das Gefühl, als schnüre ihr etwas die Kehle zusammen. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Hélène den Kopf schüttelte.
    „Für solche Fragen ist dies nicht der rechte Zeitpunkt“, sagte sie schlicht.
    Sophie ließ sich jedoch nicht beirren und wandte sich wieder der Älteren zu. „Ich möchte den Grund aber jetzt erfahren“, bekräftigte sie. Hélène hielt ihrem Blick eine ganze Weile stand, ehe sie sich schwer seufzend auf der Bettkante niederließ, ganz so, als wüsste sie jetzt schon, dass dieses Geständnis sie einmal teuer zu stehen kommen werde.
    „Du hast mit ihr nicht das Geringste zu schaffen, Sophie“, mahnte sie mit matter Stimme, als sei sie um Jahre gealtert. „Ja, durchaus möglich, dass ihre Tage bereits vergangen sind. Glaube mir, ich möchte dich nur vor Herzeleid bewahren.“
    „Ich will die Wahrheit wissen“, unterstrich Sophie einmal mehr, worauf Hélène gottergeben nickte.
    „Dann sollst du sie meinetwegen erfahren. Doch mach mir keinen Vorwurf, wenn sie nicht nach deinem Geschmack ist“, warnte sie.
    Mit verschränkten Armen wappnete Sophie sich für das, was nun kommen musste. Nachdenklich nestelte Hélène am Bettlaken herum, offenbar unschlüssig, wie sie anfangen sollte. Sophie biss sich auf die Unterlippe, um das Zittern zu unterdrücken, denn ihr war jetzt schon klar, dass ihr die Geschichte ganz ohne Zweifel nicht sonderlich zusagen

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