Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
und munter auf Fontaine?“, erkundigte er sich, was seinem Gefährten ein stolzes Grinsen entlockte.
„Stell dir vor, Michel lernt allmählich sprechen“, teilte Jean ihm mit. „Nach deinem letzten Besuch fing er damit an. Höchste Zeit, dass du unter die Haube kommst, damit wir den Jungen bei dir in die Ritterlehre schicken können.“
„Ja, ja“, versetzte Hugues obenhin, wobei er merkte, dass seine Gedanken wie von selbst zurück zu dem Frauenzimmer in Bordeaux schweiften. Nur zu gut entsann er sich der Enttäuschung, die ihn erfasst hatte, als er die Frau nirgendwo am Osttor entdeckte. Mit Macht verdrängte er diese Erinnerung und lud den Schwager ein, sich zu ihm zu setzen. „Was gibt es Neues zu berichten?“
Jean ließ sich ihm gegenüber auf der gezimmerten Bank nieder. Die Ellbogen auf den Tisch gestützt, streifte er sich die Haube des Kettenhemdes vom Kopf und fuhr sich abgekämpft mit den Fingern durchs rabenschwarze Haar, wobei Hugues auffiel, dass mittlerweile erste Silberfäden seine Schläfen zierten.
Sein Schwager bemerkte den Blick und betastete schmunzelnd sein krauses Schläfenhaar. „Tja, das liegt an Louise, dass ich so vorschnell alt werde“, klagte er und stieß dabei einen gespielten Seufzer aus, während Hugues laut auflachte, als er an seine sanftmütige Schwester dachte. Denn er wusste zu genau, dass jedes andere Weib bei Jean und dessen Possen vorzeitig graue Haare bekommen hätte.
„Ach, darüber hast du schon so oft gejammert“, frotzelte er. „Darauf gebe ich nicht mehr viel. Übrigens ist mir noch lebhaft gegenwärtig, mit welcher Hingabe du um sie geworben hast.“ Als Jean darauf nur spitzbübisch feixte, schüttelte Hugues gutmütig den Kopf. „Was führt dich denn von so weit her?“, erkundigte er sich und bemerkte amüsiert, wie sein Schwager die Schänkengäste ringsum verstohlen musterte.
„Der Wein“, raunte er verschwörerisch und rollte grinsend mit den Augen, derweil Hugues verhalten lachte. Wie aufs Stichwort stellte der Gastwirt in diesem Moment einen Zinnkrug mit Rebensaft auf den Tisch, dazu eine Schüssel deftiger Suppe. Mit einem stummen Kopfnicken gab Hugues ihm zu verstehen, dass er für die Zeche aufkommen werde.
Jean bemerkte den Blick und fuhr dazwischen. „Nichts da! Kommt gar nicht infrage“, protestierte er und hob den Weinkrug an die Lippen.
Hugues aber wollte davon nichts hören. „Kannst dich bei der Regentin bedanken“, erklärte er, indem er dem Wirt einen Silbertaler zuwarf.
Jean brach in lautes Gelächter aus. „Dann ziehst du also nach wie vor als Gesandter durch die Lande, wie?“, fragte er munter.
„Natürlich, und derzeit ist’s ein schwunghafter Handel“, bekräftigte Hugues trocken und genehmigte sich seinerseits einen Schluck Rotwein.
„Nun, dann meinen besten Dank an deine spendable Herrin“, scherzte Jean augenzwinkernd. „Und bestelle ihr bei Gelegenheit, ich stünde weiterhin loyal zur französischen Krone.“
„Ein Versprechen, das weit mehr wert ist als ein Krug Wein“, unterstrich Hugues lächelnd.
Erneut musste Jean lachen. „Genauso denke ich auch“, betonte er und stieß mit seinem Schwager an.
Sobald die Krüge abgesetzt waren, stützte Hugues die Ellbogen auf den Tisch und fixierte Jean mit einem forschenden Blick. „Deine Ergebenheit hält dich aber offenbar nicht davon ab, dich mit Wein aus der Gascogne einzudecken“, mahnte er leise. „Und die ist englisches Lehen.“
Die Bemerkung reizte sein Gegenüber zu einem schelmischen Grinsen. „Ich sehe die Dinge so“, flüsterte er und beugte sich dabei verschwörerisch über den Tisch. „Solange sich gekrönte Häupter um diesen Landstrich raufen, bietet sich mir die beste und vermutlich auch einzige Gelegenheit, die Keller zu Fontaine mit erlesenen Weinen zu füllen.“
„Und wie willst du verhindern, dass dir der viele Saft der Reben zu Essig versauert?“
„Oho!“ Kichernd drohte Jean seinem Schwager mit dem Finger. „Du weißt sehr wohl, dass Louise in zwei Monaten niederkommt. Schon bald werde ich mich genötigt sehen, euch trinkfeste Pontesse-Bagage einzuladen und zu verköstigen. Falls ich mich nicht sehr irre, wird der ganze Vorrat bis zum Julfest weggesoffen sein.“
„Und obendrein alles ohne Zoll, möchte ich wetten“, fügte Hugues hinzu, diesmal jedoch in ernstem Ton.
Jean wischte den Einwand beiseite. „Der Zoll ist nicht das Problem. Den würde ich ohne Weiteres berappen, wenn ich nur an den Wein käme.“ Er
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