Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
förmlich aus, weil es ihm zunehmend verhasst wurde. Je weiter er mit der Geschichte kam, merkte er zu seinem eigenen Erstaunen, desto stärker wurde sein Groll. „Und als sie mich küsste, brachte sie mich erst vollends durcheinander.“
„Vielleicht sollte ich auch noch einen Weinvorrat für eine Vermählung anlegen“, brummte Jean in den Bart, ehe er sich über seinen Eintopf hermachte.
„Du spinnst wohl!“, herrschte Hugues ihn an, was ihm aber auch bloß einen zweiflerischen Blick von seinem Schwager einbrachte.
„Und begegnet bist du ihr nur ein einziges Mal?“, nuschelte Jean kauend und schob, als Hugues widerwillig nickte, gereizt seine Schüssel beiseite. „Dann ist es gar nicht so abwegig, dass du übers Heiraten nachdenkst“, betonte er mit offensichtlichem Ernst – Worte, bei denen Hugues das kalte Grausen packte. „Louise meint nämlich, der Alte mache es nicht mehr lange.“
„Nun mal langsam.“ Hugues fuhr verärgert auf. „Vom Heiraten habe ich kein Wort gesagt. Sophie war offenbar darauf aus, nicht ich.“
„Sophie?“ Ein anzügliches Grinsen glitt über Jeans Züge. „Und wieso ziehst du nicht in Betracht, diese Sophie zu ehelichen? Wo sie dich doch mit einem einzigen Kuss um den Finger gewickelt hat? Da kann man aber wahrlich auf schlimmere Weise an ein Weib geraten.“
„Ach, sie ist doch bereits vermählt“, murmelte Hugues gereizt, denn er merkte, wie ihm bei Jeans Sticheleien der Kamm schwoll.
„Und hält so viel von ihrem Gatten, dass sie dir einen Kuss schenkt, welcher dich schier um den Verstand bringt? Das kommt mir doch sehr unwahrscheinlich vor, denn wenn der Dame etwas an dir läge, würde sie doch dein Wohlbefinden nicht gefährden.“ Jean blickte ihn forschend an, doch Hugues war wenig geneigt, seine Neugierde zu befriedigen.
„Das Weib ist nicht bei Sinnen, da beißt die Maus keinen Faden ab“, grollte er. Hättest du bloß nicht die Sprache auf dieses Thema gebracht!
„Könnte es nicht sein, dass du die Situation falsch eingeschätzt hast?“, erkundigte sich Jean ein wenig von oben herab. Hugues aber verharrte in hartnäckigem Schweigen, während sein Schwager den beiden Frauenzimmern am Kamin, die ihn beobachtet hatten, ungeniert zuzwinkerte. Schlagartig vertieften die zwei sich wieder in ihre Klatschgeschichten, während Jean seinem Schwager schelmisch über den Tisch hinweg zugrinste.
„Überleg doch mal.“ Er senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Raunen. „Vielleicht stammt sie ja aus einer Familie von Weinhändlern.“ Als Hugues ihn misstrauisch ansah, nicht im Geringsten beruhigt durch das fröhliche Funkeln in Jeans Augen, fügte der genüsslich hinzu: „Aus der Gascogne, wohlgemerkt.“
Hugues sah sich genötigt, diesen Hirngespinsten Einhalt zu gebieten. „Von ihrer Familie ist mir nichts bekannt“, brummte er abwehrend.
Jean wedelte wissend mit dem Finger. „Und wo bist du der Schönen begegnet?“
„Bei einer Versammlung des Stadtmagistrats“, gestand Hugues gedehnt.
Jeans Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Und was sind die Stadträte von Bordeaux?“, fragte er fast beiläufig. „Doch allesamt Winzer und Weinhändler“, schloss Jean.
„Und dass das Weib verrückt ist, das schert dich nicht weiter?“
Jean hob lässig die Schultern und nahm einen Schluck Wein. „Nun, verrückt muss sie schon sein, wenn sie meint, sie sei in Liebe zu dir entbrannt“, konterte er ungerührt. „Wenngleich das ein Gebrechen ist, mit welchem sich mancher Mann zweifellos abfinden würde.“
„Und wie verhält es sich mit ihrem Stand?“, versetzte Hugues zornig. Wieso die Begründungen seines Schwagers ihn so wütend machten, wusste er selbst nicht. Hatte Jean nicht mit dem Thema angefangen? „Schert es dich denn keinen Deut, dass sie aus bürgerlichen Verhältnissen stammt? Und falls sie verheiratet ist – was dann? Selbst du wirst ja wohl kaum verlangen, dass ich ein Weib in Erwägung ziehe, welches seinem Ehegemahl durchgebrannt ist.“
„Wenn du die üblichen Standesregeln hören willst, bist du bei mir an der falschen Adresse“, betonte Jean schmunzelnd.
„Ja, das kann man wohl sagen“, unterstrich Hugues lakonisch.
Jean lachte schallend auf und beugte sich nochmals in seiner vertraulichen Art über den Tisch. „Denk an meine Worte“, riet er, „denn diese Standesprinzipien werden nicht mehr lange Bestand haben. Jene Winzer und Weinhändler, die allen und jedem die Silberstücke nur so aus der Tasche ziehen,
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