Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
verzog das Gesicht, winkte nochmals dem Wirt und wies auf die leeren Krüge. „Doch diese verfluchten Normannen behalten leider die besten Jahrgänge für sich und liefern sie an ihre Höfe und Burgen in England.“
„Selbstsüchtiges Gesindel! Da wär’s ja eigentlich recht und billig, dass wir gegen sie Krieg führen“, bemerkte Hugues sarkastisch.
Jean, der wohl nicht mit dieser Spöttelei gerechnet hatte, warf seinem Schwager einen scharfen Blick zu. „Offenbar bilde ich mir nicht bloß ein, dass du heute Abend nicht ganz du selbst bist“, stellte er lakonisch fest, derweil der Wein nachgeschenkt wurde. Ehe Hugues zur Börse greifen konnte, hatte Jean bereits lässig abgewinkt und dem Wirt eine Münze zugesteckt.
„Wenn’s um die Politik geht“, fügte er dabei erklärend hinzu, „nehme ich die Großzügigkeit unserer Regentin dankend an. Doch nun möchte ich über persönliche Angelegenheiten sprechen, und da versteht es sich wohl, dass ich die Zeche selber bezahle. Es sei denn, deine Niedergeschlagenheit rührt von der Botschaft her, die du überbringen sollst?“
Hugues wehrte kopfschüttelnd ab. „Ach was, das ist es nicht. Wenngleich auch das nicht sonderlich gelingt, wenn ich’s mir recht überlege.“ Seufzend vertiefte er sich in die Blasen auf der Oberfläche seines Weinkrugs. An diesem Ort hier war ihm auch nicht mehr Erfolg beschieden als in Bordeaux. In Wirklichkeit aber geisterte ihm eine ganz bestimmte Frau im Kopf herum, und die bekümmerte ihn gedanklich weit mehr als irgendeine Angelegenheit der Krone.
Was dir jetzt gelegen käme, so rief er sich grimmig in Erinnerung, das wäre ein normannischer Abgesandter, der einen neuen Zehnten erhebt. Er beschloss, auf direktem Wege von hier aus die Garonne flussabwärts zu segeln und einmal zu sondieren, ob man in der Provinz nicht ganz bewusst ein Gerücht von einer solchen geplanten Abgabe streuen könne.
„Du weißt ja, dass du meine vollste Unterstützung hast, solltest du Wert darauf legen“, warf Jean ein, worauf Hugues verblüfft aufschaute.
Der eindringliche Blick in Jeans grauen Augen verriet Hugues beredter als Worte, dass das Angebot ehrlich gemeint war. Gedankenverloren drehte er seinen Krug in dem feuchten Kreis, den das Gefäß auf die Tischoberfläche gezeichnet hatte. Eins stand für ihn fest: Falls er Jean einweihte, war die ganze Geschichte jetzt schon zu Ende.
„Ich traf ein höchst außergewöhnliches weibliches Wesen“, begann er leise, obwohl er das eigentlich gar nicht verraten wollte. „Und das geht mir nicht aus dem Sinn.“
„Das ist doch schon mal ein vielversprechender Anfang“, flachste Jean mit einem schurkischen Blitzen seiner Augen.
Hugues jedoch kräuselte die Stirn, so sehr war er in seine Gedanken vertieft. „Aye, wenn’s nur so einfach wäre. Aber sie hatte so etwas an sich …“ Seine Stimme verlor sich, als wisse er nicht recht, wie er es beschreiben sollte, wenngleich er genau merkte, dass sein Schwager ihn mit lebhaftem Interesse beobachtete. Stirnrunzelnd zermarterte Hugues sich das Hirn, angestrengt bemüht, sich genauer an das zu entsinnen, was ihn an der blonden Frau so aufgewühlt hatte.
„Ja, mir war, als wüsste ich haargenau, wann sie mich anblicken würde“, fuhr er dann fort, fast schon in einer Art Selbstgespräch. Zwar war er überzeugt, dass sein Schwager ihn ob solcher Hirngespinste auslachen werde, doch als er aufschaute, stellte er fest, wie Jean überrascht die Brauen hob, als könne er das Gehörte sehr gut nachvollziehen. „Was ist?“, fragte Hugues daher.
Den Ellbogen auf den Tisch gestützt, fuchtelte Jean ihm mit dem erhobenen Zeigefinger vor der Nase herum. „Du müsstest eigentlich noch wissen, dass es mir am Anfang mit Louise ebenso erging“, murmelte er. Hugues schluckte hastig, als er begriff, was sein Schwager damit meinte. „Ein schlechtes Zeichen für einen Mann, der sich noch nicht mit Heiratsabsichten trägt“, fuhr Jean unbekümmert fort. Geraume Zeit musterte er Hugues, ehe er sich zurücklehnte und sich einen Schluck Wein gönnte, in den Augen nach wie vor einen argwöhnischen Schimmer. „Hast du mit ihr gesprochen?“, forschte er schließlich.
Ohne weiter nachzudenken, nickte er. „Aye“, räumte er ein. „Und dann faselte sie etwas vom Schicksal, das uns füreinander bestimmt hätte. Muss vollkommen verrückt sein, das Weibsbild.“
„Schicksal?“, hakte Jean skeptisch nach.
„Ganz recht, Schicksal.“ Hugues spie das Wort
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