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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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ziemlich weit mit der Entwicklung eines Prototypen der OxySkin, damals hieß sie aber noch nicht so, und das Ganze lief unter dem Namen ›Projekt Amphibium‹. Wartet mal.«
    Ellyn ging zurück in ihre Hütte, holte eine Kunststofftasche und öffnete sie. Mehrere OxySkins lagen darin und eine von ihnen war schon so alt, dass der Schimmer der Membran verblasst war und münzgroße schwarze Flecken sich auf dem Material ausgebreitet hatten. Die Sauerstoffdruckkontrolle sah unglaublich primitiv aus. Neugierig untersuchte Leon die anderen Skins – manche wirkten sogar noch funktionsfähig.
    »Wir wollten Menschen in die Tiefsee schicken und haben mit Freiwilligen experimentiert – erfahrenen Tauchern – aber es klappte nicht besonders gut, wir dachten, es geht nicht, der Mensch ist für so etwas einfach nicht gemacht.«
    »Wann seid ihr auf die Idee gekommen, es mit Kindern und Jugendlichen zu probieren?«, fragte Carima fasziniert.
    »Einer der Taucher war noch jung, kaum zwanzig, und mit ihm klappte es endlich. Also haben wir mit noch jüngeren Teilnehmern weiter experimentiert. Doch es gab ein großes Problem – die Tiefsee war für die meisten Kinder viel zu furchterregend. Ich kam auf die Idee mit den Tier-Mensch-Teams und wir tauften das ganze Projekt zu OceanPartner um. Mit den Tieren kam ein ganz neuer Schwung ins Projekt, aber natürlich gab es tausend Probleme. Krämpfe unter Wasser durch defekte Sauerstoffregelungen, Entzündungen an den Armkanülen, unsterile Atemflüssigkeit, Pilotwale, die keine Lust zum Mitarbeiten hatten …«
    »Das mit den Tieren war eine gute Idee«, sagte Leon und Ellyn starrte ihn an.
    »Moment mal«, sagte sie. »Ich habe gehört, dass du eine OxySkin dabeihast – nimmst du etwa am Programm teil? Bist du einer der Taucher?«
    Ebenso verwirrt erwiderte Leon ihren Blick. »Ja, natürlich. Seit vier Jahren schon. Ich war bis vor Kurzem auf Benthos II.«
    »Aber … deine Eltern haben das nicht erlaubt! Sie wussten, dass dir das Tauchen großen Spaß macht, doch sie wollten, dass du so weit wie möglich eine normale Kindheit und Jugend hast.«
    »Was?« Leon verstand nicht mehr, was hier vorging. Beim Gedanken an seine Eltern krampfte sich sein Herz schmerzhaft zusammen.
    Ellyn schüttelte den Kopf. »Es tut mir so leid, Leon. Kurz vor dem Tod von John und Juliette bin ich zu einem Forschungsprojekt nach Korea gegangen, ich habe nicht weiterverfolgt, was mit dir passiert ist. Ich weiß nicht, ob du mir das verzeihen kannst. Irgendwie habe ich angenommen, dass Johns Schwester – also deine Tante – dich aufnehmen würde …«
    Leon merkte, dass sein Mund offen stand, dass er mechanisch den Kopf schüttelte. Er hatte Verwandte? Nein, nein, nein, was erzählte diese Frau da? Wie aus weiter Ferne nahm er wahr, dass Carima immer noch seine Hand hielt.
    Irgendwie schaffte es Leon, sich zusammenzureißen. Er durfte nicht den Faden verlieren, musste noch mehr herausbekommen, viel mehr. »Haben meine Eltern bis zu ihrem Tod an den OxySkins weitergearbeitet?«
    »Ja und nein. Wir waren eine verschworene Gruppe damals, doch zum Schluss ist irgendwie alles auseinandergefallen.« Ellyn atmete tief durch. »Es gab einen Toten bei dem Programm, das hat uns alle sehr belastet und danach haben ein paar Mitglieder des Teams aus unterschiedlichen Gründen aufgehört. Außerdem gab es ständig Streit wegen der Strategien der ARAC, und für mich war das alles besonders belastend, weil ich mit einem Mitarbeiter des Projekts zusammen war, James Ellard. Wir haben uns dann schließlich getrennt, obwohl es schwer war für uns beide …«
    »James Ellard? Ist das nicht dein Ausbilder?«, flüsterte Carima und Leon nickte. Er hatte sich sein Leben immer ein wenig so vorgestellt wie einen Strom, der von einem Ort zum anderen floss, immer weiter. Doch jetzt erschien es ihm eher wie ein seidenzartes, fast unsichtbares Netz. Hier und da klebten in ihm Ereignisse, Erinnerungen … und dieses Netz verband auch alle Menschen in seinem Leben.
    Doch so viele Teile des Netzes waren noch unsichtbar, und Dutzende von Fragen pochten ungeduldig in seinem Kopf, warteten darauf, gestellt zu werden. »Wegen welcher Strategien gab es denn Streit?«
    »Ach, bei einer ging es darum, in den Gewässern dieser Gegend Tausende von Kunststoffschläuchen ins Meer zu werfen, die kaltes, nährstoffreiches Wasser aus der Tiefsee nach oben saugen – das sollte die Fischerei-Erträge steigern. Soweit ich mitbekommen habe, ist das mit

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