Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
Vom Netzwerk:
»Pack deine Sachen, in fünf Minuten fahren wir mit der Marlin ab. Los, los, Bewegung!«
    Jetzt dämmerte Carima, was Leon gemeint hatte. Er hatte geahnt, dass die beiden Touristinnen jetzt schnellstmöglich nach oben gebracht werden würden … und er, er würde bleiben. Wohin sollte er auch sonst – das hier war sein Zuhause.
    Kovaleinen entriegelte das Schott, das zur Messe führte, und Sam kam mit ihrer Mutter herein. Erleichterung überschwemmte Carima und einen Moment lang hielten sie sich einfach fest. »Ich hätte dich nie hierherunter bringen dürfen …«, stammelte ihre Mutter. »Ich …«
    Schon war die Stimmung wieder verflogen. »Ist doch egal«, unterbrach Carima sie, sie hatte keine Lust, sich irgendwelche Selbstbeschuldigungs-Orgien anzuhören. Es gab jetzt wirklich Wichtigeres.
    Sie hasteten hinter Patrick her, erst zu ihrer Kabine, wo sie fahrig ihre Besitztümer in die Rucksäcke stopften, dann zum Anlegeplatz der Marlin . Carima fühlte sich wie betäubt. Es ging alles so schnell, so furchtbar schnell! Und sie hatte kein einziges Wort herausgebracht, als Leon sich verabschiedet hatte. Der Gedanke machte Carima ganz krank und schließlich hielt sie es nicht mehr aus.
    Kurz vor dem Labortrakt, an dessen Ende die Marlin vertäut war, stoppte sie. Keine fünf Meter entfernt war der Zugang zur Hauptschleuse.
    »Einen Moment noch, ich komme gleich«, sagte Carima spontan und bog zur Hauptschleuse ab. Wie durch ein Wunder war die Notverriegelung des Schotts aufgehoben, es glitt vor ihr zurück.
    Carima stockte. Summend beförderte der Deckenkran einen der kleinen Tauchroboter zur Schleuse. Doch das war es nicht, was ihren Blick anzog. Sondern die hochgewachsene, schlanke Gestalt, deren ganzer Körper von einer eng anliegenden silbrig schwarzen Haut bedeckt war. Nur der Hals lag noch frei, doch schon führten die Finger der Gestalt ein kleines Gerät darüber und die schwarze Haut schloss sich ohne eine einzige Naht. Etwa in der Gegend des Schlüsselbeins war ein durchsichtiger Schlauch befestigt, gerade begann eine bläuliche Flüssigkeit hindurchzuschießen.
    Die Gestalt hatte wohl gehört, dass jemand die Schleuse betreten hatte, denn einen Moment lang wandte sie Carima das Gesicht zu. Ein Gesicht, das nur noch eine silbrige Fläche war, mit dunklen Spiegeln anstelle der Augen und einer Ausbuchtung dort, wo der Mund hätte sein sollen …
    »Was stehst du hier rum? Los, komm!« Ihre Mutter zerrte sie davon und Carima ließ es geschehen. Einen Wimpernschlag später hatte sich das Schott hinter ihr geschlossen.
    Vor zwei Jahren war es ein kleines Leck gewesen, nur so groß wie ein Fingernagel, doch das Wasser war unter solchem Druck durch die Öffnung in die Station geschossen, dass der dünne Strahl scharf wie eine Klinge Robsons Handgelenk durchtrennt hatte. Wer wusste, wie groß das Leck diesmal war!
    Paula war schon in der Schleuse und dabei, in den Hardsuit zu klettern. »Hey, danke, dass du mitkommst, Leon. Der pure Luxus, jemanden zu haben, der mir die Werkzeuge in die Klaue drückt.«
    »Keine Ursache. Hauptsache, wir kriegen das Ding dicht.« Rasch zog sich Leon aus, warf den Overall beiseite und schlüpfte in eine seiner OxySkins, die sorgfältig getrocknet und gereinigt bereitlagen. Glatt und weich fühlte die dünne Membran sich an, doch er war zu nervös, um das Gefühl zu genießen, im Geiste ging er schon die Checkliste durch, hakte sie Punkt für Punkt ab. Das Spray nicht vergessen, das seinen Rachen betäubte und den Hustenreflex unterdrückte – Batteriecheck – Werkzeuggürtel vollständig – Ultraschall-Sprechverbindung aktiviert – alle Membranen des Anzugs durchlässig und funktionstüchtig?
    Gleich bin ich bei dir, Lucy.
    Ja, bitte schnell, bevor wieder das Wackeln kommt!
    Sag mir wieder rechtzeitig Bescheid, okay? Sobald du etwas spürst.
    Mach ich!
    Schließlich war alles bereit. Leon hielt den Atem an, versiegelte die Membran über seinem Gesicht und begann den Anzug mit dem vorgewärmten, sauerstoffreichen Fluo zu füllen. Der erste Atemzug, der die Flüssigkeit in seine Lungen strömen ließ, war immer der schwerste. Selbst nach all den Jahren fühlte es sich ein bisschen an wie Ertrinken und ohne das Spray hätte sich sein Körper instinktiv gegen diese Zumutung gewehrt.
    Jetzt erst bemerkte Leon Carima, sie stand in der offenen Schleuse und starrte ihn an. Oh, nein! Dass sie ihn so sah, war fast so, als hätte sie ihn nackt überrascht. Er hätte etwas sagen können,

Weitere Kostenlose Bücher