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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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gleich mit der Cisco hoch, damit sie es analysieren können.«
    Und endlich konnte Lucy zurück ins Meer. Ohne ein Wort des Abschieds glitt sie davon, und wie jedes Mal hatte Leon das Gefühl, dass er sie im Stich gelassen hatte. Er wusste, dass er die nächsten Stunden nicht damit rechnen konnte, dass sie seine Gedanken erwiderte.
    »Wir haben einen neuen Film runtergeladen – magst du mitschauen?«, fragte Julian und knabberte an einem gegrillten Hähnchenschenkel – aha, es war also mal wieder Sonntag, da gab es meist ein etwas besseres Essen als sonst. » Abyss II. Soll supercool sein. Vielleicht wird sogar wieder mit Flüssigkeit getaucht, weißt du noch, wie schräg das im ersten Teil war? Die hatten das Fluo doch tatsächlich rosa eingefärbt.«
    »Nee, keine Lust«, wich Leon aus, und selbst Julians Hinweis, dass die hübsche Tochter von Angelina Jolie mitspielen würde, konnte ihn nicht umstimmen. Gleich nach dem Essen verkündete er, dass er sich in seiner Kabine ausruhen würde. Tom hatte erzählt, dass Louie gerade dabei war, eine neue OxySkin für ihn herzustellen, weil er aus der alten mal wieder herausgewachsen war. Sehr praktisch, dass Louie dadurch nicht wie üblich ein Adlerauge auf die alten Skins haben würde.
    Leon zog sich in einem leeren Labor um und schaltete die Sensoren im Anzug ab, die seinen Herzschlag, seine Körpertemperatur und anderes überwachten. Sonst hätten diese Daten, die automatisch an die Benthos II weitergeleitet wurden, verraten, dass er draußen war. Unbemerkt schlüpfte Leon aus der kleinen Taucherschleuse neben dem Wohnmodul. Normalerweise wurde es auf der Brücke von einer Kontrollleuchte angezeigt, wenn jemand die Station verließ, doch Leon wusste, dass diese Funktion bei der kleinen Schleuse defekt war und Paula seit Tagen genervte Mails mit der Bitte um Ersatzteile an die ARAC schickte. Wahrscheinlich konnten sie ihn auf dem Sonar oder den Außenkameras entdecken, wenn jemand wirklich darauf achtete, doch heute hatte Chung, die koreanische Bordärztin, Brückenwache, und die las vermutlich einen ihrer heiß geliebten Western, anstatt auf die Bildschirme zu achten.
    Im Meer fühlte er sich ein bisschen besser. Erschöpft und niedergeschlagen ruhte sich Leon im dunklen Wasser rund um die Station aus, ließ sich einfach treiben. Die Strömung hier in der Gegend war schwach, er konnte ruhig einschlafen und musste sich keine Sorgen machen, dass er an einem völlig anderen Ort aufwachen würde.
    Es war herrlich ruhig und friedlich hinter unten, nichts erinnerte mehr an das Beben gestern. Um die Station herum gruben sich ein paar Seegurken nimmermüde auf der Suche nach fressbaren Krumen durch den Boden; ein räuberisches Manteltier, das wie ein durchsichtiges, aus dem Boden aufragendes Maul ohne Körper aussah, wartete vergeblich auf Beute, und eine Asselspinne, deren unglaublich dünne Beine so lang waren wie Leons Arm, stakte in Zeitlupe vorbei. Die Seeigel, an denen sich Lucy gestochen hatte, waren inzwischen auf ihren winzigen Füßchen weitergewandert.
    Einige Bullaugen der Station waren erleuchtet und von einer Wolke aus winzigen Ruderfußkrebsen umgeben: Licht lockte sie an, sie schwärmten um jede Lampe herum, als sei es ein Gott, den sie anbeteten. Leon hielt sich von den Fenstern fern, schloss die Augen eine Weile und dämmerte weg. Als er sie wieder öffnete, stellte er fest, dass er schräg über der Station driftete, in der Nähe von Ellards Kabine. Wasser leitete Geräusche gut, und Leon konnte hören, dass darin gesprochen wurde – nach einem Moment wusste er auch, wem die leisen Stimmen gehörten: Ellard und dem Kommandanten. Gerade wollte er sich mit langsamen Flossenschlägen weiterbewegen, als seine Ohren das Wort »Prozedur« auffingen. Neugierig, wenn auch mit schlechtem Gewissen, begann er zu lauschen.
    »… warten schon ungeduldig auf die Probe … konnten die Zellen isolieren … sehr vielversprechend …« Das war die Stimme von Kovaleinen.
    »… keine Zeit zu verlieren … weitere Kraken mit dieser genetischen Ausstattung züchten … hoffentlich ebenfalls …«
    Was war sehr vielversprechend? Leon war beunruhigt. Hatten sie etwa entdeckt, welche Talente Lucy in Wirklichkeit hatte, dass zwischen ihr und ihm eine besondere Verbindung bestand? Nein, es ging um irgendwelche Zellen …
    Lautlos und so gut wie unsichtbar in der Dunkelheit bewegte sich Leon näher an die Kabine heran. Jetzt konnte er deutlich hören, was gesprochen wurde.

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