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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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und auch sein Atem roch nicht nach Alkohol. Falls er wieder trank, verbarg er es gut.
    Tim wirkte verlegen. »Schon wieder drei Monate her, was? Tut mir echt leid. Du hättest öfter Ferien verdient. Magst du mich bei Gelegenheit ein paar Tage lang in San Francisco besuchen?«
    »Klar, gerne«, sagte Leon sofort, obwohl es ein langer Flug war und er schon jetzt wusste, dass er sich dabei keinen Moment lang entspannen würde. Insgeheim rechnete er beim Fliegen jedes Mal damit, dass die Maschine abstürzen und er einen scheußlichen Tod finden würde.
    Sie machten sich auf den Weg hinunter zu den Laboren, wo der OceanPartner-Bereich untergebracht war. In den Gängen der Thetys roch es nach frischen Brötchen, anscheinend hatte er gerade das Frühstück verpasst. Tim merkte wohl, dass ihm das Wasser im Mund zusammenlief, denn er sagte: »Du hast heute noch nichts gegessen, oder? Ich schmiere dir schnell ein Brot – wir treffen uns unten.«
    Auf der Thetys verirrte sich Leon schon längst nicht mehr, und von den Besatzungsmitgliedern und Wissenschaftlern, die ihm über den Weg liefen, kannte er die meisten. Doch kaum jemand konnte sich beim Zurückgrüßen wirklich zu einem Lächeln durchringen. Noch bin ich in Ungnade, dachte Leon niedergeschlagen und hoffte, dass wenigstens keiner dieser Leute gerade mit einer Erkältung kämpfte und ihn ansteckte. Für einen OxySkin-Taucher wie ihn, der seine Lunge ohnehin stark strapazierte, bedeutete schon ein harmloser Husten Tauchverbot, genaue Überwachung durch die Bordärztin und Quarantäne.
    Wenigstens Lucy freute sich wirklich, ihn zu sehen. Sie wirkte ein wenig verloren im »Habitat«, einem Wasserbecken, das extra für sie an Bord war und das mit seinem kahlen Boden und den Glaswänden nicht sehr einladend wirkte. Obwohl es über jeden Komfort verfügte, auf den Kraken Wert legen könnten, angefangen bei mehreren Röhren aus Keramik, in denen man sich verstecken konnte, bis hin zu einem Snack aus frischen Muscheln. Eine Pumpe tauschte das Meerwasser im Becken ständig gegen frisches aus. Wassertemperatur, Salzgehalt, Beleuchtung und anderes konnte man über die Computersteuerung des Habitats einstellen.
    Gleich als Erstes sagte Leon »Licht dimmen!«, und der Computer schaltete einen Großteil der Neonlampen aus. Dann zog Leon sich bis auf die Badeshorts aus und kletterte ins Wasser, das ihm bis zu den Hüften reichte. Sofort wickelte Lucy einen ihrer Arme um seinen Bauch, um ihn zu riechschmecken . Na, alles gut?, fragte Leon sie zärtlich. Gefällt dir das Becken?
    Blöd, großviel blöd, beschwerte sich Lucy und Leon seufzte. Sei nicht so zickig. Sie haben sich wirklich Mühe gegeben. Und wahrscheinlich bleiben wir sowieso nicht lange.
    Sofort schoss Lucy zurück: Was machen sie mit dir, was? Du weißt nicht, was. Vielleicht bleiben wir viellange.
    Wohl wahr! Beim Gedanken daran, dass er gleich Fabienne Rogers Rede und Antwort stehen musste, verkrampfte sich Leon wieder. Aber ich werd’s mit hoher Wahrscheinlichkeit überleben.
    Leon ließ Lucy ein wenig auf sich herumkriechen, damit sie sich beruhigte. Wäre der Reporter eines Sensationsblättchens gerade jetzt zur Tür hereingekommen, hätte er daraus wahrscheinlich eine Schlagzeile à la »Taucher ringt mit Riesenoktopus« gemacht. Lucys Zuneigung war nun mal echt handgreiflich.
    Tim brachte ihm zwei Brötchen mit Marmelade – die Leon gierig hinunterschlang – und begrüßte Lucy. Kaum eine Minute später kamen mehrere Biologen vorbei und fragten ihn mit unglaublicher Hartnäckigkeit über Lucy aus, wobei sie jede Kleinigkeit direkt in einen Laptop notierten. Bevor Leon es sich versah, war es Zeit für seinen Termin bei Mrs Rogers.
    Will sie dich fressen, beiß zurück!, empfahl ihm Lucy und Tim legte ihm kurz den Arm um die Schultern und sagte: »Hey, du schaffst das schon.«
    Leon nickte wortlos. Als er an die Tür der Kabine mit dem goldenen ARAC-Logo klopfte, hämmerte sein Herz schmerzhaft gegen seine Rippen. Wenn jemand ihm angeboten hätte, jetzt stattdessen mit einem Weißen Hai zu schwimmen, hätte er dankend angenommen.
    Die Tür öffnete sich vor ihm.
    »Herein«, sagte eine tiefe, etwas heisere weibliche Stimme und Leon trat über die Schwelle.

Am Limit
    Leon gegenüber stand eine freundlich lächelnde Frau mit gewellten, eisengrauen Haaren. Sie musste um die sechzig sein, doch ihr Gesicht sah seltsam glatt und rosig aus – lag das an diesem Schminkzeug, mit dem sich auch Greta Halvorsen manchmal

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