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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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einschmierte? Fabienne Rogers’ graublauer Hosenanzug war um Lichtjahre schicker als alles, was Leon in den letzten Jahren gesehen hatte, und wahrscheinlich trug sie in der Chefetage der ARAC hochhackige Schuhe dazu. Doch damit wäre sie an Bord nicht weit gekommen und so hatte sie sie gegen beige Sneakers eingetauscht.
    »Leon, schön, dass du kommen konntest.« Fabienne Rogers geleitete ihn bis zu ihrem Schreibtisch, dessen Seitentischchen mit altmodischen silbernen Bilderrahmen dekoriert war. Schön, dass du kommen konntest? Sollte das ein Witz sein? Nein, wahrscheinlich hatte sie ihm nur irgendetwas Nettes sagen wollen, was erstaunlich genug war.
    Fasziniert blickte sich Leon in der Kabine um, die noch eine ganze Ecke größer war als die von Kapitänin Lorenz und neben einer Ledercouch auch einen atemberaubenden Ausblick über das Meer bot. An den Wänden hingen Gemälde, die wie ein wirres Gekleckse aussahen und wahrscheinlich Millionen wert waren.
    »Tee? Kekse?«, fragte Fabienne Rogers und Leon stammelte: »Äh, ja.« Sekunden später stand eine Porzellantasse mit einem hellgrünen, herb schmeckenden Gebräu vor ihm. Immerhin, er schaffte einen Schluck, ohne das Gesicht zu verziehen. Die Kekse, die es dazu gab, kamen der Packung nach aus Dänemark. Leon war so nervös, dass er schon drei hintereinander weggeknabbert hatte, ehe er merkte, was er tat.
    »Du bist zum ersten Mal seit ein paar Monaten wieder oben, oder?« Fabienne Rogers faltete die Hände und lehnte sich über den Schreibtisch. Nun war ihr Blick freundlich besorgt. »Pass auf, dass du keinen Sonnenbrand bekommst – das geht unheimlich schnell hier in den Tropen. Hast du überhaupt Sonnencreme?«
    Leon starrte sie an und schaffte nur ein Kopfschütteln. Er konnte sich dunkel daran erinnern, dass ihn diese mütterliche Art schon vor vier Jahren irritiert hatte. Nein, sie erschien ihm nicht mehr wie eine Göttin, dazu war er vermutlich schon zu alt, und was war jetzt überhaupt los, wann kam die Strafpredigt?
    »Wie läuft es mit Lucy?«, fragte Rogers. »Ich höre, sie ist blendend in Form.«
    »Ja, sie ist jetzt wirklich gut ausgebildet und eine echte Hilfe unter Wasser«, berichtete Leon und fragte sich, warum sich eigentlich jeder als Erstes nach Lucy erkundigte und kein Mensch danach fragte, wie es ihm ging.
    »Tja, dann kommen wir mal zur Sache«, sagte die Managerin und Leon wurde es ganz kalt. Doch schon wieder überraschte sie ihn. »Ich war sehr erschrocken, als ich von deinem Unfall in der Nähe des Kohala Canyons hörte. Eine schlimme Sache. Wie gut, dass dann doch alles glimpflich ausgegangen ist. Hast du schon gehört, dass wir inzwischen mehr über die Ursache wissen?«
    Leon nickte. »Eine sauerstoffarme Zone, in der nichts mehr lebt.«
    »Ja. Im Ostpazifik vor Peru und vor der Küste Namibias existieren seit einigen Jahren ebenfalls solche Todeszonen.« Fabienne Rogers tippte etwas auf ihrem Laptop und drehte ihm dann den Bildschirm zu. Eine Meeresbodenkarte von der Küste des südlichen Afrikas war eingeblendet. »Im Fall von Namibia ist der Grund anscheinend, dass sich die Algen an der Oberfläche stark vermehrt haben. Eine Algenblüte also. Kaum sind all diese winzigen Pflanzen abgestorben und in die Tiefe abgesunken, haben sich dort Bakterien über die Reste hergemacht. Dabei haben sie sämtlichen verfügbaren Sauerstoff verbraucht.«
    Mit einem mulmigen Gefühl erinnerte sich Leon an den dichten Meeresschnee aus toten Algen in der Umgebung von Benthos II. »Hat das Gebiet sich bisher nicht wieder erholt?«
    »Nein, im Gegenteil. Alle bisher bekannten Todeszonen wachsen und breiten sich aus. Und wir befürchten, dass auch die Zonen um Hawaii herum schnell größer werden könnten.«
    Ein Schauder überlief Leon. »Wissen Sie schon etwas über die Gründe?«
    »Leider nicht. Aber ich kann dir versichern, dass wir alles tun werden, um mehr darüber herauszufinden. Deswegen haben wir ja die Thetys hierherbeordert, sie ist ein hervorragend ausgestattetes Forschungsschiff.«
    Unvermittelt erinnerte sich Leon an etwas, das er bei der allerersten Krisensitzung auf Benthos II gehört hatte. Oder war es danach gewesen? Irgendjemand hatte etwas von einem sonderbaren Sonar-Echo gesagt, das in der Gegend bemerkt worden war und aus der Richtung des Lo’ihi kam – konnte das etwas mit den Todeszonen zu tun haben? Irgendein Wesen, irgendein Objekt musste zur fraglichen Zeit dort gewesen sein. Doch als er es erwähnte, konnte er schon an

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