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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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sehr begrenzt etwas beibringen. Wieso konnten sie mir nicht einfach auch einen Pottwal oder einen Kraken geben?
    Nachdenklich schloss Carima seine Nachricht wieder. War Julian eigentlich Leons Freund – oder sein Konkurrent?
    Spät in der Nacht stand Carima noch einmal auf und zog sich lautlos Shorts, Sandalen und das dicke hellblaue Sweatshirt an. Kaum jemand war noch unterwegs, ganz allein wanderte sie durch die mit sorgfältig angelegten Rasenflächen, Palmen und Blumenbeeten gestaltete Anlage. Lämpchen an den Rändern des Weges verbreiteten ein weiches Licht.
    Am Strand angekommen, duckte sich Carima unter dem rot-weißen Absperrband hindurch. Weicher, kühler Sand unter ihren Füßen. Hier gab es keine Lampen mehr, nur die kalten Lichtpunkte der Sterne.
    Carima setzte sich in den Sand, schlang die Arme um den Körper, um sich zu wärmen, und blickte auf den Ozean hinaus. Ja, sie spürte den Ruf noch, doch er war nicht mehr so eindeutig wie zuvor, mischte sich ständig mit Bildern aus Benthos II und mit der Einsamkeit, die eisig und unaufhaltsam in ihr hochstieg.
    Das Meer war eine endlose schwarze Fläche und das leise Zischeln der Wellen eine Melodie, die nichts versprach.
    Leon sah Julian und Tom noch einmal kurz vor der Abfahrt. Es war nur Zeit für ein paar hastige Worte.
    »Bitte komm bald zurück, Leon!«, sagte Tom. Unter seinem roten Schopf wirkte sein Gesicht auf einmal sehr kindlich. »Hier unten ist es einfach nicht das Gleiche ohne dich! Erst ist Billie weg, und jetzt auch noch du und Lucy …«
    »Billie kommt in ein paar Tagen zurück – und bestimmt darf ich auch wieder herkommen, wenn die Chefin mir meine Strafpredigt verpasst hat«, versicherte ihm Leon mechanisch und versuchte ein Lächeln. Es klappte nicht besonders gut.
    »Es tut mir so verdammt leid, Leon«, sagte Julian. Er wirkte blasser als sonst. Jetzt trat er näher … und zog Leon einfach in seine Arme. Im ersten Moment war Leon völlig verblüfft, doch dann entspannte er sich und drückte Julian an sich. Hatten sie sich überhaupt schon einmal umarmt? Er konnte sich nicht daran erinnern.
    »Ich wollte nicht, dass so etwas passiert.« Julians Stimme klang erstickt. Zu mehr kam er nicht, denn Patrick rief ungeduldig »Auf geht’s!« aus dem Cockpit der Marlin. »Komm schon, Octoboy, bringen wir’s hinter uns. Die Chefin lässt man nicht warten.«
    »Wir reden drüber, wenn ich wieder da bin«, sagte Leon hastig zu Julian und umarmte schnell auch noch Tom, wenn er sowieso schon dabei war. Dann duckte er sich durch die Schleuse ins Tauchboot, den Seesack mit seinen Besitztümern über der Schulter und die schwarze Segeltuchtasche mit seiner OxySkin-Ausrüstung in der Hand. Durch das große gewölbte Sichtfenster der Marlin suchte er unruhig nach Lucy, sandte seine Gedanken aus, um sie zu erspüren. Wo bist du? Beeil dich, es geht gleich los!
    Ja, da war sie, sie glitt über den Boden auf die Marlin zu, drapierte sich kokett in den vorderen Sammelkorb des Tauchboots und blickte Patrick und ihn mit ihren seitlich geschlitzten Augen an. Großviel gemütlich hier drin , behauptete sie, vielleicht versuchte sie, Leon aufzuheitern. Doch er war einfach nur froh, dass er sie überhaupt mitnehmen konnte hoch aufs Schiff – Tiefseefische mit einer Schwimmblase ertrugen solche heftigen Druckwechsel schlecht und starben auf scheußliche Art, wenn man sie in einem Netz hochholte. Doch die Körper von Kraken enthielten keine Hohlräume und Lucy war schon mehrmals an der Oberfläche gewesen, ohne Schaden zu nehmen.
    Patrick schloss die Luke und ließ die Steuerpropeller an, um das Tauchboot von der Station wegzumanövrieren. Dann betätigte er ein paar Knöpfe, um Ballastwasser über Bord zu pumpen und die Tanks mit Pressluft zu füllen. Kaum war die Marlin in den freien Aufstieg übergegangen, schaltete Patrick einen Moment lang die Sprechverbindung ab und schob sich das Headset in den Nacken. Dann wandte er sich Leon zu; seine sonst so verschmitzten Augen blickten mitfühlend. »Hey, nimm’s nicht so schwer, Leon. So was geht vorbei. Wie sagte schon Churchill? ›Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst frühzeitig zu machen.‹«
    Leon grinste schief. »Und die, aus denen man nicht lernen kann, macht man besser später?«
    Patrick musste lachen. »Besonders die tödlichen, ja. Ich frage dich jetzt nicht, warum du so blöd warst und rausgeschwommen bist, in Ordnung?«
    »Danke«, sagte Leon und

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