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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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große vordere Sichtfenster, dann war da auf einmal der Horizont, sie schwebten, wurden hochgehoben. Draußen rief jemand Kommandos, ein kurzer Ruck, dann hatte der Kran sie auf dem Deck des Forschungsschiffs abgesetzt.
    Patrick entriegelte die Luke, er und Leon kletterten von Bord und blinzelten beide ins Tageslicht. Eine kleine Gruppe von Besatzungsmitgliedern und Wissenschaftlern erwartete sie schon. Freundliche Gesichter, neugierige Gesichter. Immerhin. Kein Exekutionskommando.
    Leon setzte den Fuß auf das schwankende Deck und musste sich an einer Verstrebung der Marlin festhalten, damit er nicht durch die Gegend torkelte. Lucy hatte recht, es war grell hier, und ohne seine spezielle »Surface«-Sonnenbrille hätten seine Augen wahrscheinlich sofort angefangen zu tränen. Außerdem war ihm schwindelig – hoffentlich wurde er nicht gleich wieder seekrank, das letzte Mal auf der Thetys hatten sie hohen Seegang gehabt und das hatte ihn ziemlich mitgenommen. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Da war Tim – Leon erkannte ihn schon an der schlanken, durchtrainierten Gestalt und der Art, wie er dastand, locker, in perfekter Balance. Dr. Tim Reuter. Und nein, Tim schaute nicht enttäuscht drein wie Ellard und Kovaleinen, im Gegenteil, er strahlte über das ganze Gesicht. Wenn sich Tim freute, dann zeigte er es, und in diesem Moment liebte Leon ihn dafür noch ein bisschen mehr.
    »Mann, du bist tatsächlich noch gewachsen«, sagte Tim und umarmte Leon fest. »Wenn du so weitermachst, passt du bald nicht mehr ins Tauchboot, und was dann?«
    »Dann verzichte ich einfach auf die blöden Boote und tauche hoch«, erwiderte Leon lächelnd und setzte die Tasche mit seiner OxySkin vorsichtig auf dem Deck ab.
    Die Thetys war ein großes Forschungsschiff, mehr als hundert Meter lang, und zurzeit war ihr Arbeitsdeck, auf dem wegen der beiden Kräne ohnehin nicht viel Platz war, vollgepackt mit Ausrüstung. Leon stand fast direkt neben einem sechs Meter hohen Tiefsee-Lander, einer Art Turmgerüst aus Metall, an dem Messgeräte und Vorrichtungen zur Probenentnahme angebracht waren. Man konnte den Lander auf den Meeresgrund herablassen, wo er auf seinen Stelzen stand und in ein paar Tausend Meter Tiefe Messungen vornahm, bis er aus dem Kontrollzentrum den Befehl bekam, wieder aufzusteigen. Gerade schwärmten ein paar Wissenschaftler um den Lander herum und testeten die Geräte, anscheinend sollte das Ding bald über Bord befördert werden.
    Tim folgte seinem Blick, »Du siehst, wir nehmen es ernst, was gerade in Hawaii passiert. Wir werden mit dem Lander mal einen genaueren Blick in den Kohala Canyon werfen. Aber jetzt komm, wir bringen dein Zeug in deine Kabine und dann kümmerst du dich erst mal um Lucy. Wie geht es ihr?«
    Leon nickte und streckte einen Gedankenfühler nach seiner Partnerin aus. Sie war gut durch die Schleuse gekommen und wartete tief im Bauch des Schiffs auf ihn. Ein Schwall von Unsicherheit und Furcht schwappte ihm entgegen, ja, er musste dringend zu ihr. »Sie war länger nicht mehr auf einem Schiff und es ist ihr alles ein bisschen unheimlich.« Doch er wollte mit Tim nicht nur über Lucy reden, es gab etwas, das er dringend wissen musste. »Wann muss ich zu Fabienne Rogers?«
    Inzwischen waren sie auf dem Weg ins Innere des Schiffs und stiegen eine Treppe hoch ins erste Aufbaudeck, wo die Kabinen der Wissenschaftler waren. Mit einem tiefen Seufzer wandte sich Tim ihm zu und fuhr sich abwesend durch die kurzen blonden Haare. »In einer Stunde schon. Verdammt, Leon, hättest du nicht einfach das tun können, was Kovaleinen angeordnet hat? Das mit dem Tauchverbot war keine Willkür, sondern eine vernünftige Maßnahme. Im Moment ist es dort unten gefährlicher als sonst. Und das weißt du genau.«
    »Ja«, gab Leon schweren Herzens zu – und freute sich, als er sah, dass er und Tim sich eine Kabine teilen würden. Tim hatte sich schon in der oberen Koje eingerichtet, also warf Leon sein Gepäck auf die untere. Hoffentlich würde er es schaffen, hier einzuschlafen – das ganze Schiff vibrierte, knarzte, rollte in den Wellen von einer Seite zur anderen. Eine Schraube kullerte irgendwo, wo man garantiert nicht an sie herankam, hin und her und prallte alle paar Sekunden mit einem leisen »Tock« an Wänden oder Möbeln ab.
    Leon wandte sich Tim zu und sagte endlich, was ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge lag: »Es ist wirklich schön, dich wiederzusehen.« Ihm fiel auf, dass Tims Hände nicht mehr zitterten,

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