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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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merkte, wie seine Lebensgeister einen Moment lang zurückkehrten. »Und ich frage dich nicht, wann du vorhast, weiter zu studieren, okay?«
    »Jetzt werd nicht frech, Kleiner! Ich mach das schon noch irgendwann! Genauer gesagt ist das hier eine meiner letzten Fahrten, weil ich mich nämlich nächstes Semester wieder in Auckland einschreibe, und dann kann ich mich endlich wieder mit Descartes, Kant und Aristoteles beschäftigen statt mit Meeresgewürm!«
    Was sagt der Bootmensch?, erkundigte sich Lucy.
    Leon zog eine Grimasse. Ach, nichts, nichts!
    Doch Patricks Versuche, ihn aufzuheitern, hielten nicht lange vor. Je höher sie kamen, desto elender war Leon zumute und in seinem Magen ballte sich ein schmerzender Knoten. Befehlsverweigerung! Arrest! Wieder stand Leon der Ausdruck, mit dem Ellard und Kovaleinen ihn angeblickt hatten, vor Augen. Wütend? Ja, sie waren wütend gewesen – aber mehr als das. Enttäuscht.
    Sie waren enttäuscht von ihm.
    Leon stützte den Kopf in die Hände. Wieso um alles in der Welt war er nicht einfach in der Station geblieben oder wenigstens sofort zurückgekehrt? Seine Gedanken wandten sich Tim zu. Inzwischen war er sicher schon an Bord der Thetys , er hatte ja geschrieben, dass er mit einem Linienflug in Honolulu angekommen war und mit dem Hubschrauber weiterfliegen würde zum Schiff. Hatte er schon mitbekommen, was sein Adoptivsohn getan hatte? Ja, bestimmt hatte Kovaleinen ihn längst informiert. Würde auch Tim enttäuscht sein, wenn sie sich wiedersahen?
    Patrick schien zu spüren, wie es Leon ging, denn er ließ ihn in Ruhe, streifte ihn nur hin und wieder kurz mit einem Blick. Erst als sie nur noch hundert Meter tief waren, fragte er: »Und, kannst du dich noch an die Chefin erinnern? Hast sie ja schon mal gesehen, oder?«
    Apathisch nickte Leon. Ja, er hatte Fabienne Rogers, die »Chefin«, schon einmal getroffen, bei den Auswahlverfahren vor vier Jahren. Sie hatte entschieden, dass er und dieses damals kaum handlange, eher putzig als beeindruckend wirkende Krakenweibchen die große Chance verdienten. Und Rogers’ Entscheidungen waren in der ARAC so endgültig, als sei sie nicht einfach eine hochrangige Managerin, sondern Gott persönlich. Und so war sie ihm damals auch erschienen, wie eine unnahbare Göttin, in deren Hand sein Schicksal lag.
    Er wollte sich nicht einmal vorstellen, was sie jetzt über ihn dachte. Würde er mildernde Umstände bekommen? Erinnerte sich noch jemand daran, dass er die Station vor dem Seebeben gewarnt hatte? Zählte es jetzt noch etwas, dass er Mangankrusten im Wert von etlichen Millionen Dollar entdeckt hatte? Dass er und Lucy unter Wasser so gut wie jeden Auftrag erfüllen konnten, den sie bekamen?
    Der Tiefenmesser der Marlin zeigte achtzig Meter. Es war schon deutlich heller geworden um sie herum, nach und nach wandelte sich die Farbe des Wassers von Tiefschwarz zu Azur, bis schließlich das durchscheinende Blau des offenen Ozeans sie umgab. Sonnenstrahlen stachen wie helle Lanzen durch das klare Wasser, verloren sich in der Tiefe. Ein Schwarm junger Barrakudas jagte in der Nähe – silberne Nadeln, die Seite an Seite blitzschnell die Richtung wechselten wie durch die unsichtbare Kraft eines Magneten.
    Leon atmete tief durch und versuchte, dieses Bild in seinem Herzen zu bewahren.
    Bald oben. Schon wurde die Marlin von den Wellen gewiegt, ein sanftes Schaukeln, das es in der Tiefsee nicht gab. Eingeschüchtert klammerte sich Lucy an der Seite des Tauchboots fest.
    Alles in Ordnung? Wie fühlst du dich?, fragte Leon.
    Hell, so hell! Scheußlich hell!
    Da gewöhnst du dich schnell wieder dran . Am besten, du schwimmst jetzt zum Schiff und schlüpfst durch die OceanPartner-Schleuse, die wird gleich für dich geöffnet. Die Rogers hat gesagt, du sollst an Bord. Wir treffen uns dort, okay?
    Ja. Lucy zögerte noch einen Moment, dann glitt sie aus dem Sammelkorb, stieß einen Wasserstrahl aus und schoss davon zum dunklen Rumpf der Thetys , den Leon schemenhaft neben dem Tauchboot erkennen konnte. Die Schiffsschraube sah jetzt, wenn sie stillstand, aus wie eine riesige Blüte aus Metall.
    »Alles bereit, ihr könnt uns an den Haken nehmen!«, sagte Patrick über Funk und die in das schwarze Neopren eines Tauchanzugs gekleideten Beine eines Helfers zappelten vor der Plexiglaskuppel vorbei. Ein metallisches Knacken und Quietschen, dann war der Haken der Winde auf der Oberseite des Tauchboots befestigt. Schaumiges grünes Meerwasser schwappte gegen das

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