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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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sich, ob sein Körper sich diesmal dagegen wehren würde, doch dann wurde ihm klar, dass er damit eine selbsterfüllende Prophezeiung in Gang setzte. Wenn er glaubte, dass es nicht klappen würde, dann verkrampfte er sich wahrscheinlich so, dass es wirklich nicht gelang. Leon zwang sich zur Ruhe, schob die Sorgen weg und dachte daran, dass es bisher immer gut gegangen war, auch diesmal würde es so sein, ganz sicher.
    Und so war es. Tief atmete er die Flüssigkeit ein, bis sein Körper sich wieder daran gewöhnt hatte. Er zog seine Fußflossen an, schwarzer Kunststoff, fast unverwüstlich. Dann trat er in die innere Schleuse – und hörte noch, wie es an der Tür des OceanPartner-Raumes klopfte. Das war Minh, und er würde mit der jungen Frau das abziehen, was er am besten konnte. Er würde sie gnadenlos vollquatschen. Während hinter ihr eine Krake lautlos aus ihrem Becken kroch und so perfekt getarnt, dass der Webcam-Operator sie mit etwas Glück einfach übersehen würde, zur Schleuse glitschte. Leon war froh, dass die Thetys -Leute noch nicht dazu gekommen waren, eine Platte über Lucys Behausung anzubringen; garantiert hätten sie das noch gemacht, denn die Meeresbiologen an Bord wussten sicher, dass Kraken Meister darin waren, aus ihrem Becken zu entkommen.
    »Warten Sie, ich muss …«, hörte er die junge Frau sagen, dann schnitt die Schleusentür ihre Worte ab und alle Geräusche von drinnen wurden dumpf.
    Winzige Zellen in Lucys Haut reagierten blitzschnell und passten sich dem geriffelten Grau des Schleusenbodens an. In Sicherheit sind wir jetzt?, fragte seine Partnerin eingeschüchtert, und ihr glänzender Körper wand sich auf dem Boden, suchte instinktiv einen Ausweg aus dem geschlossenen Raum.
    Noch nicht. Aber gleich , erwiderte Leon verkrampft. Es kam ihm endlos lang vor, bis die Schleuse sich endlich mit schäumendem Meerwasser gefüllt hatte. In Zeitlupe schienen sich die äußeren Schleusentüren vor ihnen zurückzuschieben. Und dann waren sie draußen .
    Stürzten sich hinein in das unendliche Blau.
    Als Carima gestern ihre Mails gecheckt hatte, war nichts von Leon da gewesen. Aber vielleicht hatte er sich diesmal gemeldet. Sie hatte ihn gefragt, woher er Deutsch konnte; seine letzte Mail hatte er zwar in Englisch getippt, aber mit »Viele Grüße aus der Tiefe!« unterschrieben, kein einziger Fehler drin.
    Es kribbelte in ihrem Bauch, während sie das Mailprogramm aufrief, ihr Passwort eintippte und den Eingangsordner anklickte. Das Kribbeln verschwand. Nein, auch diesmal hatte Leon sich nicht gemeldet. Julian schien auch keine Lust mehr zu haben, ihr zu schreiben.
    Alles Deppen , dachte Carima. Schon klar – aus den Augen, aus dem Sinn, so läuft das! Doch sie schaffte es nicht, sich in ihren Ärger hineinzusteigern. Nein, Leon war keiner von dieser Sorte, er war vielleicht ein bisschen seltsam, aber absolut nicht oberflächlich. Lag es an ihr? Vielleicht hatte irgendetwas in ihrer letzten Mail ihn abgestoßen? Hatte sie unbewusst einen Tussi-von-der-Oberfläche-Ton draufgehabt?
    Sie rief ihre letzte Nachricht an ihn auf, ging noch einmal jeden Satz durch. Vielleicht war es die Fantasy-Sache gewesen. Aber er hatte schließlich gefragt, wie sie auf ihren Nick Lady Shimounah gekommen war, und sie hatte einfach die Wahrheit gesagt, nämlich dass es aus ihrem Lieblingsroman Nachtlilien stammte und darin der Name einer Göttin war. Oh Mann, ja klar, das war es gewesen, wie eingebildet und selbstherrlich war es denn eigentlich, sich nach einer Göttin zu benennen? Andererseits – wenn er sich tatsächlich wegen einer solchen Kleinigkeit nicht mehr bei ihr meldete, dann war er ein Idiot und sonst nichts.
    Abwesend las Carima die anderen Nachrichten – eine von ihrem Vater, die von Schwärmereien über seine Touren und Hannah strotzte, zwei von ihren Freunden und eine von Pernille aus Schweden, die sie bei einem Film-Workshop kennengelernt hatte. Damals hatten sie zusammen einen eigenen kurzen Spielfilm gedreht und es hatte dermaßen Spaß gemacht, dass Carima gerade versuchte, in der Schule ein paar Leute für ein neues Filmprojekt zusammenzutrommeln.
    Als ihre Mutter ihr urplötzlich über die Schulter blickte, zuckte Carima zusammen und war froh, dass sie nicht wie sonst zum Schluss jeder Computer-Session Leons Bild aufgerufen hatte. Ihre Mutter war einfach nicht fähig, normale von peinlichen Fragen zu unterscheiden, und hätte bestimmt versucht, sie auszuquetschen. Dabei wusste Carima selbst

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