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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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bediente die Fernsteuerung der Greifarme. Die Augen der beiden Männer verließen die großen Bildschirme mit den Kamerabildern des Geräts keine Sekunde lang. Zu sehen war darauf nicht viel – und jedenfalls nicht das, was Alberto Alvarez sich zu sehen erhofft hatte.
    »Immer noch nichts Neues?«, fragte er trotzdem und bekam nur ein Kopfschütteln zur Antwort.
    »Nur Seegurken, aber von denen reichlich«, brummte der Navigator.
    »So langsam bräuchte ich mal Ablösung, sonst fange ich bald an, da unten rosa Elefanten zu sehen«, sagte der Pilot, grinste müde und stürzte den Rest seines Kaffees herunter. Nach zwei Stunden wechselten gewöhnlich die Teams, länger hielt niemand es durch, sich so intensiv zu konzentrieren.
    Das Telefon klingelte und der Fahrleiter reichte den Hörer an Alvarez weiter.
    »Hier Holzner«, hörte Alberto und widerstand einem Impuls, strammzustehen – Gabriel Holzner, der Sicherheitschef der ARAC, hatte im Konzern große Macht. »Was gibt’s Neues, haben Sie den Jungen?«
    »Leider noch nicht. Wir hatten eine Meldung von den Gleitern, doch es hat sich herausgestellt, dass sie nur einem Hai gefolgt sind. Ich würde vorschlagen, dass wir für die Suche zusätzlich ein tiefgeschlepptes Videosystem einsetzen und außerdem zwei weitere ROVs.«
    »Zwei weitere ROVs? Ist Ihnen klar, dass so ein Einsatz zwölf Leute beschäftigen und uns ein paar Millionen Dollar kosten würde?«
    »Es ist Ihre Entscheidung«, erwiderte Alberto gereizt. »Wollen Sie Redway schnappen oder nicht?«
    »Nur Geduld, Alvarez. Irgendwann wird der Junge einen Fehler machen und dann greifen wir ihn uns.«
    »Ihr Wort in Gottes Ohr, Sir«, erwiderte Alberto und hoffte, dass er es sein würde, der Leon Redway als Erster zu fassen bekam. Dann würde er der miesen Ratte diese Blamage gründlich heimzahlen.
    Er freute sich schon darauf.
    Es gab keinen Tag mehr und keine Nacht – nur Dunkelheit. Die Stunden flossen ineinander, wurden zu Tagen. Ob sie noch gejagt wurden, wusste Leon nicht; die Thetys schien unendlich fern, nur noch eine hässliche Erinnerung. Doch etwas anderes, die hässliche Gegenwart, holte sie immer wieder ein. Stundenlang schwammen sie über Meeresboden, der von Schleppnetzen verwüstet worden war. Traurig sah sich Leon um – soweit das Licht seiner Lampe reichte, nur Zerstörung, umgewühlter Boden, auf dem nichts mehr lebte. Seefedern, Seesterne, Schwämme, Tiefwasserkorallen, Manteltiere … alles war untergepflügt worden von Fischern, die nichts im Sinn hatten, als die wenigen Fische, die es hier unten gab, zu Filets zu verarbeiten. Ob das, was sie taten, legal war oder nicht, interessierte diese Leute kaum, nur die Ausbeute zählte. Wütend und hilflos schwamm Leon weiter. Hier war nichts mehr zu retten. Wahrscheinlich würde es Jahrzehnte dauern, bis sich hier wieder Leben angesiedelt hatte.
    Lucy und er überquerten die Hilo Ridge und den Puna Canyon, ohne etwas Ungewöhnlicheres zu bemerken als einige Dutzend Tierarten, die vermutlich noch nie ein Mensch gesehen hatte – Leon fotografierte sie aus reiner Gewohnheit.
    Er ahnte, dass er jetzt länger im Meer war als jemals zuvor, und es fühlte sich so gut, so natürlich an, dass es ihm Angst machte. Würde sein Körper es überhaupt noch ertragen, Luft zu atmen, wenn er wieder hochkam?
    Immer häufiger fragte er sich, was er tun sollte, wenn seine Vorräte ausgingen und die Batterien seines Werkzeuggürtels schlappmachten. Er konnte ja wohl kaum auftauchen und im nächsten Supermarkt an der Küste Nachschub kaufen gehen. »Ein halbes Kilo Traubenzucker, bitte!« Vermutlich war seine Flucht dann zu Ende … und bisher hatte er nichts erreicht, absolut nichts! Er war des Rätsels Lösung keinen einzigen Schritt näher gekommen. Stattdessen hatte er sich mit der ARAC angelegt – verdammt, was hatte er sich nur dabei gedacht? Allein die ARAC verfügte über OxySkins, und auf die war er angewiesen, wenn er weiterhin in die Tiefsee tauchen wollte.
    Wenigstens war Lucy jetzt frei, sie konnten zusammen sein. Das war ein großer Trost.
    Und dann näherten sie sich endlich dem Lo’ihi, dem unterseeischen Vulkan, aus dessen Richtung das eigenartige Sonar-Echo gekommen war. Beim Gedanken daran durchflutete Leon neue Energie. Vielleicht würde er hier endlich Antworten finden – und außerdem gab es in der Tiefsee kaum etwas Faszinierenderes als Orte, wo heißes Wasser aus dem Meeresboden quoll. Auf einer Tauchbootfahrt bei Galapagos mit Tim und

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