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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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Colin Devey, einem Geologen des Meeresforschungsinstituts IFM-GEOMAR, hatte er dort die legendären Schwarzen Raucher gesehen, Schlote am Meeresboden in vielen Tausend Meter Tiefe, aus denen vierhundert Grad heißes Wasser strömte, erwärmt vom glühenden Erdinneren selbst. Dieses Wasser war so mit Mineralen und Schwermetallen gesättigt, dass es in tiefschwarzen Wolken hervorquoll wie Rauch aus einem Industrieschornstein. Manche der Schlote waren so hoch wie ein zehnstöckiges Gebäude.
    Solche heißen Quellen waren eine Oase des Lebens, um die Schlote herum gab es dichte Felder weißer Riesenmuscheln, wuselten schneeweiße Krebse, wuchsen meterhohe prachtvoll rot und weiß gefärbte Röhrenwürmer, die in der Strömung schwankten wie exotische Blumen im Wind. Es war ein unglaublicher Anblick gewesen, und Tim und er hatten sich beide wie aufgeregte Kinder auf dieses und jenes aufmerksam gemacht, hatten gejubelt und geschwatzt.
    Tim hatte ihm erzählt, dass die Röhrenwürmer selbst in der Tiefsee, in der die meisten Tiere langsam, aber dafür sehr lange lebten, eine Ausnahme waren; sie konnten zweihundertfünfzig Jahre alt werden. Jedenfalls, wenn ihr heimatlicher Schlot so lange durchhielt. Die unterseeischen Kamine wuchsen zwar schnell, manche schafften einen Meter pro Jahr oder mehr, doch sehr stabil waren sie nicht, und es kam häufig vor, dass einer von ihnen umstürzte. Es war auch nichts Besonderes, dass ein Schlotfeld wieder erlosch und die Tiere, die dort lebten, sterben mussten – nur ihre Eier und Larven, die mit dem heißen schwarzen Wasser nach oben gestiegen waren, fanden mit etwas Glück eine neue Heimat.
    Colin hatte damals mit dem Greifer des Tauchboots ein paar Stücke eines umgestürzten Schlots geborgen und Leon später eins davon geschenkt. Überrascht hatte Leon gesehen, dass die von außen so unansehnlich Schwarzen Raucher auf der Innenseite mit goldglänzenden Pyrit-Kristallen besetzt waren. Hübsch sah das aus, wie ein echter Schatz. Leon besaß das Schlotstück immer noch, es war gerade in seinem Seesack an Bord der Thetys …
    Und jetzt näherten sie sich den Schwarzen Rauchern Hawaiis, die möglicherweise nicht einmal schwarzes, sondern vielleicht ganz anders gefärbtes Wasser ausstießen. Sehen wir mal nach , dachte Leon und Lucy folgte ihm in die Tiefe. Jenseits von siebenhundert Metern begann er den steigenden Druck zu spüren; erst fühlte es sich an, als sitze sein Anzug zu eng, dann wurde es immer unangenehmer und normalerweise hätte er bald aufgegeben. Doch diesmal kam das nicht infrage, obwohl Leon sich mehr und mehr vorkam, als hätte ihn eine riesige Zange gepackt. Verbissen arbeitete er sich tiefer voran. Lucy, wie fühlst du dich?
    Wie die Garnele im Maul vom Viperfisch, gestand seine Partnerin.
    Besorgt ließ Leon die Hand über ihre weiche Haut gleiten und fühlte, wie sich einer ihrer Arme um sein Handgelenk ringelte. Besser, du kommst nicht mehr weiter mit. Du weißt ja, das Wasser bei den Rauchern ist voller giftiger Stoffe – mich schützt der Anzug, aber dich würde es krank machen. Ich hole dich auf dem Rückweg ab.
    Dass sie sofort zustimmte, machte ihm klar, wie schlecht es ihr wirklich ging. Ihm war nicht ganz wohl dabei, sie hier mitten im Freiwasser schutzlos zurückzulassen, doch er hatte keine Wahl. Leon markierte Lucys Standort auf seinem DivePad und tauchte weiter ab. Eine Weile verbanden ihre Gedanken sie noch, dann schwand auch das, wie ein Faden, der immer dünner wurde. Jetzt war er völlig allein … und es war ein gruseliges Gefühl. Vor allem, weil er nicht wusste, was hier unten auf ihn wartete.
    Hin und wieder aktivierte Leon seine Lampe und blickte sich um. Er konnte es kaum glauben, als sein Display tausendeinhundert Meter anzeigte. Mann, wenn er das Billie, Julian und Tom erzählte! So tief war noch keiner von ihnen gewesen.
    Bisher war das Wasser glasklar gewesen, doch jetzt veränderte es sich langsam. Es wurde trüber, und als Leon sich nach Nordwesten wandte, sah er, dass riesige graugelbe Wolken aus der Tiefe emporquollen, es sah aus, wie er sich einen Sandsturm in der Wüste vorstellte. Erschrocken hielt Leon inne. Hier stimmte etwas nicht! Er musste noch ein ganzes Stück von den Rauchern entfernt sein, und normalerweise konnte man dicht an sie heranschwimmen, weil das heiße Wasser gerade nach oben wegströmte. Doch diese Gegend hier wirkte wie ein Kriegsschauplatz, alles war in Aufruhr. Konnte es sein, dass der Lo’ihi ausgebrochen

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