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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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das Wasser um ihn und Lucy herum nicht mehr wie Tinte wirkte, sondern nach und nach wieder zu einem unendlichen blauen Raum wurde.
    Und dann waren sie oben. Die Wellen des offenen Ozeans spülten schäumend über Leon hinweg, grell stach die Sonne durch die überforderten Restlichtverstärker in seine Augen. Doch die Luft, die ihn umgab, konnte er nicht atmen – noch wagte er nicht, den Anzug aufzutrennen. Es war zwar viel zu wenig Perfluorcarbon übrig, aber wie sollte er hier an der Meeresoberfläche die Flüssigkeit in seinen Lungen loswerden? Womöglich ertrinke ich dabei einfach! Diese verdammten Wellen reißen mich ständig hoch und runter!
    Und hell! So hell ist es!, stöhnte Lucy und kniff die queren Augenschlitze zu.
    In der Ferne ragte die zerklüftete grüne Ostküste von Big Island auf. Und davor schwamm irgendetwas Schwarzes, ein Bug tauchte aus den Wellen … ein Boot!
    Leon riss den Arm hoch und winkte – Hilfe konnte er jetzt gut gebrauchen! Er sank in ein Wellental und verlor das Fahrzeug wieder aus den Augen, doch als er es das nächste Mal erspähte, war es größer geworden, anscheinend nahm es Kurs auf ihn und seine Partnerin. Besser, du bleibst ein bisschen außer Sicht und heftest dich irgendwo unter den Rumpf , Lucy. Nur für alle Fälle.
    Ja. Nicht niemanden erschrecken! Ein lautloses Kichern. Lucy verschwand unter Wasser – keinen Moment zu früh, kurz darauf ragte die Bordwand neben ihm auf.
    Es war nicht die Art von Bordwand, die Leon kannte. Sie war schwarz gestrichen, Farbe blätterte vom Rumpf ab und hier und da sah Leon Roststellen. Unter der Wasserlinie hatten sich Muscheln und Seepocken festgesetzt.
    Als Leon hochblickte, sah er zwei Gesichter, die auf ihn herabstarrten – eins davon klein und sehr haarig, das andere groß und völlig haarlos. Einen Moment lang starrten beide Besatzungsmitglieder ihn an, dann sagte das eine: »Heiliges Kanonenrohr, es gibt also doch Aliens. Hab ich dir’s nicht gesagt, Chili?«, während das andere mit allen vier Pfoten auf der Bordwand balancierte und etwas ausstieß, das wie der Unterdruck-Alarm eines Tauchboots klang.
    Dann streckte sich ihm eine schwielige Hand entgegen, und Leon ergriff sie, um sich daran hochzuziehen.
    Beim Hochziehen an Deck gab die OxySkin endgültig den Geist auf. Leon kniete in einer bläulichen Pfütze Perfluorcarbon und tastete verzweifelt nach dem Molekültrenner an seinem Gürtel, damit er die Gesichtsmaske aufbekam und nicht auf diesem Fischkutter erstickte. Sein Puls dröhnte ihm in den Ohren, sein Körper schrie nach Sauerstoff – und wo war dieses verfluchte Werkzeug? Da, endlich hatte er es und führte die Spitze des Trenners über die Membran an der Seite seines Gesichts. Kühler Seewind traf seine Wangen, seine Stirn. Dann beugte Leon sich vor, hustete und spuckte das Perfluorcarbon aus. Schade, das Zeug zu verschwenden, es war teuer, aber es in den dreckigen Eimer dort drüben zu befördern hätte auch nicht viel gebracht, wiederverwenden konnte man es so oder so nicht mehr.
    Bisher hatte der haarlose Mann sprachlos staunend zugesehen, doch jetzt verdüsterte sich sein Gesicht. »He, hier kotzt keiner auf meine Planken, selbst ein Alien nicht, mach das gefälligst über die Bordwand!«
    Ich bin kein verdammter Außerirdischer , wollte Leon erwidern, aber seine Stimme funktionierte noch nicht wieder, sein Kehlkopf fühlte sich an, als hätte er mit Säure gegurgelt. Diesmal war er wirklich länger unten geblieben, als gut für ihn war!
    Schwankend stand er auf, auch das Stehen war ungewohnt. Zum Glück war der Seegang nicht sehr hoch an diesem Tag, denn mit diesem Boot, das höchstens zehn Meter lang war und nur aus einem verwitterten Holzdeck und einem Ruderhaus bestand, machten die Wellen sicher, was sie wollten.
    Leon stützte sich an der Bordwand ab und dann starrten er und der Kapitän sich an. Sein Gegenüber war ein Mann von etwa sechzig Jahren. Auf seinem blanken Schädel thronte inzwischen eine schmuddelige gelbe Basecap und warf ihren Schatten über ein misstrauisches, verkniffenes Gesicht mit einer flachen Nase. Nicht nur die Haare fehlten ihm, auch Augenbrauen und Wimpern.
    »Okay, du bist also kein Alien«, sagte der Mann, und woher hatte er auf einmal diese Metallstange? Er hielt sie mit beiden Händen, wie einen Baseballschläger, und das sah nicht besonders vertrauenerweckend aus. »Bist vom Geheimdienst, was? Ich weiß längst, dass ihr mich auf dem Schirm habt. Und ich wette, du denkst

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