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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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worden.«
    Das schien ihr zu gefallen – war das Anerkennung in ihrem Blick? »Warst du ein blinder Passagier?«
    »Nicht ganz«, sagte Leon und warf einen Blick auf seinen Arm. Vier parallele Schnitte, die noch immer munter vor sich hin bluteten. Sah nicht besonders toll aus und tat enorm weh. Musste das genäht werden? Er presste die Hand auf den Arm, hoffentlich hörte dadurch die Blutung auf. »Seid ihr … so was wie eine Gruppe? Und wie heißt dieses Tal eigentlich?«
    Wieder lächelte die Frau. »Ach so. Ja. Entschuldige. Ich heiße Leah und sage jetzt einfach mal: Willkommen im Waipi’o Valley, äh …«
    »Leon.«
    »Tja, und wer wir sind … Ich würde sagen, komm einfach mit. Es ist noch ein Stück bis zu unserer Siedlung, zum Glück hat Mo dich nicht am Bein erwischt.« Sie drehte sich wieder um. »Wir bringen ihn zu Old Joe. Der soll ihn sich mal anschauen.«
    Doch Mo war schon nicht mehr da, er war mit den Schatten verschmolzen, eingetaucht ins undurchdringliche Gewirr der Stämme und Äste.

Keine Kompromisse
    Das Tal lag eingebettet zwischen steilen, grünen Felswänden. Leon hängte sich den Seesack mit seiner Ausrüstung über die Schulter und folgte Leah einen Pfad entlang, der durch grünes Schwemmland führte, durch tropisches Gebüsch und vorbei an kleinen Feldern. Leon erkannte die breiten, dunkelgrünen Blätter der Pflanzen, hier wurde Taro angebaut. Knollen, die man ähnlich wie Kartoffeln verarbeiten konnte.
    Ein paar einfache Hütten entdeckte Leon ebenfalls, gebaut aus allem, was die Bewohner gerade gefunden hatten. Doch all diese Behausungen umging seine Führerin sorgfältig. »Mit denen, die da wohnen, legen wir uns nicht an«, sagte sie. »Das ist ’ne bunte Mischung, ein paar Hippies, Kriegsveteranen, die einfach nur wegwollten von allem, und Leute, die nirgendwo sonst reinpassten. Seit wir Mo haben, lassen sie uns in Ruhe. Mo ist ein seltsamer Kerl, eines Tages war er einfach da, wir wissen nicht viel über ihn.«
    »Kann ich mir vorstellen«, murmelte Leon. Diesmal hatte er genauer hingehört, als sie den Namen des fremden Jungen ausgesprochen hatte: Mo’o . Hawaiianisch für ›Eidechse‹. Das passte.
    Leon sog den Geruch nach feuchter Erde und Pflanzen in sich auf. Seine bloßen Füße meldeten ihm mal trockene, sandige Erde, mal sumpfigen, torfigen Boden. Nach seiner langen Zeit im Meer war es ungewohnt, so etwas zu spüren, und zu jeder anderen Zeit hätte er das alles bestimmt genossen, doch der Schmerz in seinem Arm übertönte alles andere. Auch sein Sonnenbrand tat weh.
    Leah schien seine grellroten Arme bemerkt zu haben, denn irgendwann hielt sie kurz an, schnitt ein Stück aus einer Agave heraus und ritzte das dicke grüngraue Blatt ein paarmal kreuzweise ein, sodass der Saft daraus hervortrat. »Da. Aloe vera. Schmier das auf deine Arme, wird dir guttun.«
    Und so war es, der Saft fühlte sich wunderbar kühl an auf der Haut.
    »Kennst du auch irgendwas, was dagegen hilft?« Vorsichtig nahm Leon die Hand von seinem Arm. Immerhin, es blutete nicht mehr.
    »Ja, der Saft des Oha-Wai-Nui-Baums. Wir haben einen in der Siedlung. Leider ist es noch ein Stück bis dorthin. Schaffst du das?«
    Leon nickte und schlug nach ein paar Moskitos, die versuchten, sich auf seinem Hals niederzulassen. Nach einer Weile tauchten zwischen dem wuchernden Grün einzelne, aus Holz gezimmerte Hütten auf. Ihre Dächer waren mit bläulich schimmernden Solarzellen förmlich gepflastert, und hinter einigen der Hütten sah Leon schwarze Plastiksäcke hängen, wahrscheinlich dienten sie als Duschen. Nur eine einzige der Hütten trug eine runde Satellitenantenne.
    »Wir leben so, wie der Rest der Menschheit es eigentlich auch tun müsste, um die Erde nicht völlig zugrunde zu richten«, sagte Leah mit einer Mischung aus Stolz und Trotz. »Energie brauchen wir kaum. Wir verwerten alles wieder, nichts wird verschwendet. Wir verzichten auf Dinge, die uns sowieso nicht wichtig sind.«
    »Zum Beispiel?«
    »Shoppingcenter. Einkäufe, die Berge von Plastikmüll verursachen. Wagenladungen von elektronischen Geräten in unserem Alltag.«
    Leon war nicht sicher, was er davon halten sollte. »Vielleicht würden andere Menschen auch gerne so leben. Aber es gibt leider kein idyllisches Tal in ihrer Nähe, in dem das Essen auf den Bäumen wächst.« Er schaute hoch zu einer Kokospalme, die sich über ihm erhob und ihm jeden Moment eine Nuss auf den Kopf donnern konnte.
    »Wir auf Big Island sind nur eine

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