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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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Englisch. »Hab mir schon gedacht, dass mal jemand vorbeikommt. Das Meer ist tief und mächtig hier, ein Zugang.«
    »Ein Zugang wohin?«, fragte Leon schroffer, als er beabsichtigt hatte. Er hatte es satt, von seltsamen Leuten in Empfang genommen zu werden, die ihm irgendetwas unterstellten. »Und wer ist Kanaloa?«
    Doch im Moment, als er es sagte, fiel es ihm schon selbst wieder ein. Kanaloa war der hawaiianische Gott des Meeres – und auch der Gott der Kraken. Anscheinend hatte ihn dieser Typ dabei gesehen, wie er sich von Lucy verabschiedet hatte! Na toll. Soweit Leon sich erinnern konnte, war Kanaloa auch der Gott des Todes – also vermutlich nicht allzu beliebt.
    »Du sagst, du kennst Kanaloa nicht?«, sagte der Fremde, er wirkte verwirrt. »Aber du bist hier … und ausgerechnet jetzt. Erst vor ein paar Tagen haben wir eine Zeremonie abgehalten, bei der wir Kanaloa um Heilung für eine von uns gebeten haben.«
    So langsam begriff Leon, wie dieser Kerl tickte. »Aha, und deshalb hältst du mich jetzt für einen Götterboten? Die Wahrheit ist leider viel simpler, man hat mich von einem Boot geworfen. Geht’s eurer Kranken inzwischen besser?«
    »Ja«, sagte der junge Mann scharf. »Wundert dich das?«
    Leon zuckte die Schultern. »Gehörst du zu einer Gruppe? Wie viele seid ihr?«
    Dann geschah alles so schnell, dass Leon es kaum wahrnahm. Der Hawaiianer riss eine seiner Hände hoch, ballte sie zur Faust und ließ sie vorschießen, in Leons Richtung. Erschrocken wich Leon zurück. Ungläubig sah er, dass der Mann eine Art Schlagring über seine Knöchel gestreift hatte. Einen, der mit dreieckigen Zähnen besetzt war – denen eines Hammerhais, gerade und spitz, an den Seiten leicht gezackt und scharf wie Messer.
    »Du kommst also nicht aus der Unterwelt, sondern bist nur ein Eindringling«, sagte der junge Hawaiianer und lächelte auf eine seltsame Art. »Verschwindest du freiwillig oder soll ich nachhelfen?«
    Unterwelt. Doch, wenn man es genau nahm, kam er tatsächlich aus der Unterwelt. Aber Leon hatte keine Lust, darüber zu diskutieren. »Und was ist, wenn du dich nicht geirrt hast – und ich jetzt zu Kanaloa petzen gehe? Ihm erzähle, wie du mich behandelt hast? Was dann?«
    »Dann sag ihm, dass er einen besseren Boten schicken soll, haole «, sagte der junge Mann, und wieder bewegte er sich so schnell, dass Leon davon völlig überrumpelt wurde. Ein heißer Schmerz zuckte durch seinen linken Arm, und Leon spürte, dass Blut den Ärmel seines T-Shirts durchtränkte, über seinen Unterarm und seine Hand rann.
    Noch vor einer Woche wäre er wahrscheinlich weggerannt, so schnell er konnte. Doch diesmal war Leon nicht danach zumute. Stattdessen wurde er wütend. Mit einem echten Hai hatte er noch nie Ärger gehabt und jetzt hatte ausgerechnet ein Mensch ihn mit Haizähnen angegriffen! Was für eine Welt war dieses oben eigentlich? So eine Art Wildnis, in der Menschen Raubtier und Beute zugleich waren?
    Leon packte einen herumliegenden Ast, riss ihn vom Boden hoch und schlug damit nach dem Fremden. Der hatte offensichtlich nicht mit einem Gegenangriff gerechnet; er war so verdutzt, dass er um ein Haar zu spät ausgewichen wäre. Der Ast verfehlte ihn nur um Zentimeter.
    »He!« Der Schrei eines Mädchens.
    Weder Leon noch der junge Hawaiianer wandten den Kopf. Leon wagte es nicht eine Sekunde lang, in seiner Aufmerksamkeit nachzulassen, und vermutlich ging es dem anderen genauso, mit zusammengekniffenen Augen und düsterem Blick fixierte er Leon.
    Das Geräusch schneller Schritte im Sand, dann tauchte plötzlich eine hellhäutige junge Frau neben dem jungen Mann auf. Sie hatte lange dunkle Haare und trug ein einfaches sandfarbenes Top und einen bunt bestickten Rock. Einen Moment lang sah es fast so aus, als wolle sie den Mann berühren, ihn vielleicht am Arm packen, doch dann überlegte sie es sich anders. Ihre Augen weiteten sich, als sie das Blut auf Leons T-Shirt sah, und fahrig strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Na, wenn das nicht nach Ärger aussieht. Verdammt, Mo, was soll das? Wenn das ein Tourist ist …«
    »Er ist kein Tourist«, sagte der junge Hawaiianer knapp.
    Das Mädchen seufzte, richtete den Blick auf Leon und bemerkte anscheinend jetzt erst, dass er völlig durchnässt war. Erstaunt blickte sie ihn an. »Was ist dir denn passiert?«
    Ihre schlichte Freundlichkeit tat Leon gut. Er versuchte, sich seine Schmerzen nicht anmerken zu lassen. »Bin von einem Boot geworfen

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