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Ruf der Toten

Ruf der Toten

Titel: Ruf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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an die Euromünze in seiner Geldbörse denken. L’uomo.
    Die Ereignisse der letzten Tage mussten miteinander zusammenhängen. Er verstand zwar noch nicht, worin genau die Verknüpfung bestand, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass alles, was gerade geschah, einem bestimmten Ziel folgte. Nein, nichts davon war Zufall.

Berlin
     
     
     
    Bereits als Philip den Schlüssel in das Türschloss zu seinem Wohnklo steckte, wusste er, jemand hatte die Einraumwohnung während seiner Abwesenheit betreten. Und dieser Jemand war nicht seine Freundin Chris gewesen. Er hatte keine Ahnung, woher er die Gewissheit nahm, war aber auch über den Punkt hinweg, sich noch über irgendetwas zu wundern.
    Die Bestätigung folgte auf dem Fuße. In der Diele lag sein Geschirr in Scherben auf dem Teppich, übersät mit dem Inhalt des Besteckkastens. Wer immer hier eingedrungen war, er hatte ganze Arbeit geleistet: Die Löffel und Gabeln waren beinahe kunstvoll verbogen worden, als hätte Uri Geller einen strengen Blick darauf geworfen.
    Im Wohnraum herrschte Chaos, ein noch viel größeres als das, was Philip üblicherweise selbst anrichtete. Schubladen waren aus dem Schrank gerissen, ihr Inhalt über den Boden verstreut. Papiere, Fotos, Heftmappen mit Negativstreifen – alles hatte man durchwühlt. Die CD-Hüllen, vormals auf einem kleinen Sideboard untergebracht, lagen einzeln aufgeklappt, die silbernen Scheiben zerbrochen im Zimmer verstreut. Der Futon der Couch war mit einem Messer kreuz und quer bearbeitet worden, der Schaumstoff quoll wie Innereien aus einem aufgeschlitzten Magen. Der Eindringling hatte keine Ecke des Raumes ausgelassen, jeden noch so kleinen Winkel durchstöbert.
    Wonach er auch gesucht haben mochte, offenbar hatte er es nicht gefunden. In blinder Wut hatte er die Stereoanlage vom Schrank gestoßen. Der Wohnzimmertisch war in der Mitte durchgebrochen und ihm fehlte ein Bein. Das liebevoll vorbereitete Frühstück, das Philip am Morgen nahezu unberührt zurückgelassen hatte, der Kaffee, der Orangensaft, die Reste der Brötchen, Butter, Marmelade und Ei verschmierten den Teppich.
    Obwohl er nur wenige Habseligkeiten sein eigen nannte, so waren es doch mehr, als er je zuvor besessen hatte, in seiner Kindheit, in seiner Jugend. Es tat ihm in der Seele weh, das alles zerstört zu sehen. Selbst wenn die Wohnung klein war und er sie manchmal verfluchte, sie war sein Zuhause, sein Reich, seine Zuflucht vor den alltäglichen Zumutungen des Lebens.
    Doch gleichzeitig war ihm klar, dass er die Wohnung ohnehin auf unbestimmte Zeit verlassen musste. Jeden Augenblick konnte die Polizei auftauchen. Erledige endlich, weswegen du gekommen bist. Er stopfte Unterwäsche, Socken, T-Shirts, alles, was er in dem Durcheinander auf die Schnelle finden konnte, in seinen Rucksack. Obendrauf legte er seine Kamera. Die Tatwaffe. Er zitterte.
    Philip versuchte sich einzureden, dass seine Sorgen unbegründet waren. Er würde zurückkehren, sobald alles im Reinen war. Aber da war erneut jenes Gefühl; manche Leute würden es wahrscheinlich als Intuition bezeichnen. Was auch immer es war, als er sich noch einmal umsah, erfüllte ihn Wehmut, wie bei einem Abschied für immer.
    Mit seinem Handy wählte er Chris’ Nummer. Als das Freizeichen ertönte, trat er an die Balkontür und legte gedankenverloren seinen Finger auf das gesprungene Glas. Es fühlte sich kühl an, und die Kälte sprang auf seine Glieder über. Wieder begann er zu zittern.
    Am Maybachufer jenseits des Landwehrkanals hatte der türkische Markt seine Zelte aufgeschlagen. Menschen wuselten in langen Schlangen an den Ständen vorbei, auf der Suche nach exotischen Weihnachtsgeschenken aus fremden Ländern, die sie nicht fanden, weil auch die Berliner Türken längst kitschigen Nippes für sich entdeckt hatten. Ob jemand dort unten ahnte, dass es Menschen gab, die andere Probleme quälten als der alljährliche Geschenkestress?
    Philip machte einen Polizeiwagen aus, der bremste und direkt unter seinem Balkon anhielt. Drei Beamte stiegen aus, zwei uniformiert, einer in zivil. Ruckartig zog er seinen Kopf von der Glasscheibe weg.
    »Scheiße!«, fluchte er.
    »Philip, bist du es?«, klang Chris’ Stimme an seinem Ohr. Vor Aufregung war ihm entgangen, dass sie inzwischen das Gespräch entgegengenommen hatte.
    »Ja, Chris, warte…« Hinter seiner Stirn tobte es. Wie konnte er das Haus verlassen, ohne den Bullen geradewegs in die Arme zu laufen?
    »Hallo, Philip, was ist?«
    »Chris,

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