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Ruf der Vergangenheit

Ruf der Vergangenheit

Titel: Ruf der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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hatte der Priester gesagt, sei er ein einfacher Mann mit einfachen Bedürfnissen gewesen – aber er habe an die Gerechtigkeit geglaubt. Und es sei eine große Ungerechtigkeit, wie die Medialen die Menschen dieser Gegend vom Handel mit Nachbarländern abhielten.
    Zuerst war es ein Protest auf politischer Ebene gewesen. Doch die Dinge hatten sich schnell zugespitzt … bis die Medialen die Rebellion so vollständig niedergeschlagen hatten, dass nicht einmal ein Echo von ihr geblieben war.
    Xavier nickte bedächtig, seine Haut schimmerte im sanften Kirchenlicht wie Ebenholz. „Sie haben Recht“, sagte er zu Judd.
    „Und dennoch glauben Sie an einen Gott.“
    Xavier ließ sich Zeit mit der Antwort. „In meinem Dorf gab es ein Mädchen“, sagte er in zärtlichem Ton. „Sie hieß Nina. Ihr Licht … leuchtete so hell.“
    Früher hätte Judd das nie verstanden. Doch nun hatte er Brenna und wusste, welchen Schmerz ihr Verlust für ihn bedeuten würde. „Ist sie im Kampf gegen die Medialen gefallen?“ Die Attentäter waren in der Nacht ins Dorf geschlichen, Töten lautete ihr Befehl.
    „Wir ahnten, dass sie kommen würden“, erzählte Xavier. „Hatten die Schutzlosen in Sicherheit gebracht, aber dennoch nicht mit dieser Brutalität gerechnet.“
    Judd schwieg, die Geschichte war noch nicht zu Ende.
    „Nina wollte nicht gehen. Sie war Krankenschwester – sie wusste, man würde sie brauchen. Wie wir alle glaubte sie, die Medialen würden heftig zuschlagen und sich dann zurückziehen, damit wir unsere Wunden lecken könnten.“
    „Sie müssen außer sich gewesen sein.“
    Xaviers Mundwinkel zuckten. „Ich habe gedroht, sie zu fesseln und auf den Rücken eines Esels zu binden, falls es nötig sein sollte.“
    „Aber sie blieb.“
    „Natürlich. Unter der hübschen Oberfläche war Nina stahlhart – das hatte ich schon herausgefunden, als wir sechs Jahre alt waren.“ Das Lächeln auf Xaviers Gesicht verschwand. „Dann kamen die Medialen, und einer nach dem anderen fiel, Blut schoss ihnen aus Ohren, Nasen und Mündern.“
    Große geistige Kraft konnte das bewirken, das wusste Judd. „Eine komplette Staffel hätte das ganze Dorf auf einen Schlag ausrotten könnten.“
    „Ja. Aber ich nehme an, dass für unseren kleinen Aufstand höchstens zwei oder drei Mann abgestellt worden waren. Die jedoch über starke Kräfte verfügten – in den ersten drei Minuten starben zehn von uns.“ Xavier sprach leise, und seine Hände ruhten unbeweglich auf den Knien. „Es gelang mir, mit Nina in den Urwald zu fliehen … ich sagte ihr, sie solle in den Fluss springen.“
    Judd hatte den Fluss gesehen und die zerstörten Überreste des einst so lebendigen Dorfes. „Einen anderen Fluchtweg gab es nicht.“
    „Über zwanzig Meter freier Fall – und Nina war keine gute Schwimmerin.“ Xaviers Finger krümmten sich, gruben sich in den weißen Stoff der Hose, die zur einfachen Kleidung eines Priesters der Zweiten Reformation gehörte. „Ich hatte ihr versprochen, dass Gott auf sie aufpassen würde, und ihr einen Abschiedskuss gegeben. Sie sprang, und ich bat Gott, sie in Sicherheit zu bringen.“
    Judd brauchte nicht zu fragen, Nina war nie mehr aufgetaucht. „Warum sind Sie nicht ebenfalls gesprungen?“
    „Sie sind doch auch Soldat – Sie wären sicher nicht geflohen.“ Xavier holte tief Luft. „Wie sich herausstellte, war mein Schädel härter als gedacht. Der Schlag des Medialen machte mich bewusstlos, aber Stunden später kam ich wieder zu mir.“
    „Ein natürlicher Schild“, sagte Judd. „Reines Glück, dass er stark genug war, den Schlag abzuwehren.“ Wahrscheinlich hatten die Medialen so wenig Energie wie möglich benutzt, denn gegen einen mit voller Kraft ausgeführten telepathischen Schlag konnte auch ein natürlicher Schild nichts ausrichten. „Normalerweise hätten Sie sterben müssen.“
    „Die Mörder haben sich offenbar nicht die Zeit genommen, das zu überprüfen – obwohl ich die sechs Monate quasi tot war, in denen ich gesoffen habe.“ Xavier streckte die Finger wieder aus. „Sie sind so still, mein Freund.“
    Hinter ihnen meldete sich das Gespenst zu Wort. „Ich warte auf die Antwort auf Judds Frage.“
    Judd hatte gehört, wie der andere hereingekommen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, sich aber nicht nach ihm umgedreht. Zu ihren unausgesprochenen Vereinbarungen gehörte auch, dem medialen Rebellen zu vertrauen, der ebenso rücksichtslos wie – auf seine eigene Art –

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