Ruf der Vergangenheit
programmiert ist, auch andere, mir nahestehende Personen zu erledigen, falls sie die Gelegenheit dazu bekommt.“
„Darum habe ich ja einen großen, starken Enkel, der mich beschützen wird.“
Und so fand sich Dev kurz darauf im Untergeschoss des Hauses am Kopfende eines Tisches wieder, vor dem sich die beiden Frauen gegenüberstanden, die ihm am wichtigsten waren. Von ihrer Statur her hätten sie nicht unterschiedlicher sein können.
Seine Nani war groß, hatte braune Haut und glänzende dunkle Augen. Katya war knapp mittelgroß, ihre Haut war fast durchscheinend, obwohl sie in letzter Zeit ein wenig Farbe bekommen hatte, und ihre Augen hatten das weiche Grün von Haselnusssträuchern. Seine Großmutter war hart und sah auch so aus, ihre Arme waren muskulös. Im Gegensatz dazu erschien Katya weich … zerbrechlich.
Doch das war eine Illusion.
Die Frau, die durch den Albtraum von Sunshine in Alaska gegangen war, war nicht schwach.
„Soso“, sagte seine Großmutter, „dann haben Sie also meinen Devraj ganze Nächte wach gehalten.“
Katya sah ihn nicht an, sie erwiderte den Blick seiner Großmutter. „Eigentlich“, sagte sie, „gebe ich eher ihm die Schuld für die schlaflosen Nächte.“
Maya lachte. „Ich mag sie, Beta .“ Sie nahm Katyas Hand. „Sie sollten Devs Großvater Matthew kennenlernen, von ihm hat Dev diese Sturheit. Der alte Kerl ist schon über hundert, hat aber noch nie in einem Streit nachgegeben.“
Katya machte große Augen. „Dann ist er –“
Kiran nickte. „Ja, er hat die Einführung von Silentium miterlebt. Zarina und David, seine Eltern, gehörten zu den Rebellen.“
Katya schwieg über eine Minute. „Dann war er ein Zeitgenosse der ersten Kinder, die im Medialnet zu Silentium geführt wurden.“
„Er erinnert sich noch an einen Cousin. Mir hat er erzählt, er habe ihn Jahre später einmal auf der Straße getroffen, und es sei gewesen, als hätte man ihm seine Seele fortgenommen.“ Die alte Dame schüttelte den Kopf. „Wir sind verschiedene Wege gegangen … aber vielleicht führen diese Wege jetzt erneut zusammen.“ Man hörte die Besorgnis in ihrer Stimme. „Aber deswegen sind wir nicht hier – wir haben darüber nachgedacht, wie man Ming lange genug in einen Zustand der Wehrlosigkeit versetzen könnte, um ihn dazu zu bekommen, Sie freizulassen.“
Zu Katyas Gunsten muss gesagt werden, dass sie nur kurz blinzelte. „Ihn bewusstlos zu machen, wäre kontraproduktiv. Denn falls es einen Schlüssel gibt, ist er sicher telepathischer Art.“
„Und höchstwahrscheinlich würde er versuchen, Sie sofort zu töten“, sagte Nani sachlich.
Dev hatte das schon bedacht. „Nicht, wenn ihm klar ist, dass ihr Tod auch seinen Tod zur Folge hat.“
„Was uns zu der Frage zurückbringt, wie man Ming entwaffnen könnte“, sagte Katya, und auf ihrer Stirn erschienen zwei große Falten.
In diesem Augenblick wurde Dev klar, was sie tun mussten. Er unterbrach seine ruhelose Wanderung und hob die Hand. „Lassen wir das im Augenblick.“ Jeder Instinkt in ihm rebellierte gegen den Plan, der in seinem Kopf als einzige Möglichkeit aufgetaucht war. „Wir brauchen eine Rückzugsstrategie.“
„Bringt ihn dazu, zu euch zu kommen“, schlug seine Großmutter vor. „Lass ihn den Eindringling sein – dann ist es für euch leichter zu verschwinden.“
„Das ist beinahe unmöglich“, sagte Katya. „Er achtet extrem auf Sicherheit.“ Als Dev nichts dazu sagte, sah Katya auf. „Ach so. Du hast schon einen Plan, nicht wahr?“
Er wollte sie nicht anlügen. „Ja.“
„Wann hättest du es mir gesagt?“
„Nie – ich wollte nach einem anderen Weg suchen.“ Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, trat dann zu ihr und zog sie an sich. „Mir gefällt die Idee nicht, dich als Köder zu benutzen.“
„Eine bessere haben wir nicht.“ Sie berührte seine Wange, damit er sie ansah. „Wir tun es.“
„Aber nur, wenn du ohne Widerrede alles tust, was ich sage. Verstanden?“ Seine Stimme klang eisig, denn in ihm drängte alles danach, sie zu beschützen.
„Verstanden.“
Devs Großmutter seufzte. „So wird das nichts, Beta . Männern wie meinem Enkel muss man schon aus Prinzip widersprechen.“
Bei diesem nicht ganz ernst gemeinten Ratschlag musste Katya lachen, sie wollte die Hand der Älteren ergreifen, es kam ihr vor, als würde sie Kiran schon ewig kennen. Doch sie kam nicht dazu, ihr Vorhaben auszuführen. Sie krümmte sich vor Schmerzen. Das Letzte, was sie
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