Ruf der Vergangenheit
Nacht ihren Herzschlag zu spüren. Doch beim Betreten des Schlafzimmers sah er etwas, das ihn auf der Türschwelle verharren ließ.
Noor hatte sich neben Katya auf dem Bett zusammengerollt und ihre kleine Hand auf Katyas Brust gelegt. Keenan lag auf der anderen Seite, eine Hand über der von Noor.
„Dev, hast du –“ Ashaya blieb neben ihm stehen. „Oh, tut mir leid. Ich werde Dorian darum bitten, sie mit mir hinauszutragen.“
„Nicht nötig“, hörte Dev sich sagen. „Sie tun nur, was Katzen immer tun – versuchen, ihr durch Berührung zu helfen, weil es ihr schlecht geht.“
Ashaya legte die Hand auf seinen Arm. „Sie sind noch zu klein und begreifen nicht, dass ihr nicht mehr zu helfen ist.“
„Ich glaube“, sagte er, „es hätte ihr gefallen, in ihrer letzten Nacht von Hoffnung umgeben zu sein.“
„Ich weiß, dass Sie gern an ihrer Seite sein würden“, sagte Ashaya.
„Ich würde doch nicht schlafen.“ Er musste sie so lange wie möglich ansehen.
Was er auch tat. Er setzte sich ans Fußende, ein Bein auf dem Bett und das andere auf dem Boden, und sah, wie die Dämmerung in Mitternacht überging, wie die dunkelsten Stunden der Nacht anbrachen, und alles um ihn herum still wurde. Etwa um drei Uhr morgens spürte er so etwas wie einen Schmerz im Kopf … nein, das war es nicht, es tat gar nicht weh – eher eine leichte Veränderung im Schädel, nicht unangenehm, aber deutlich spürbar. Stirnrunzelnd überprüfte er seine Schilde. Sie waren unverrückt.
Er sah zwar Katya immer noch an, ging aber innerlich ins Schattennetz, um nach Eindringlingen Ausschau zu halten – nichts und niemand sollte ihr noch mehr Schmerzen zufügen können. Zuerst bemerkte er es nicht. Aber je länger er auf Katyas flackernden Stern schaute, desto mehr war er davon überzeugt, dass es keine Einbildung war. Das Leuchten war tatsächlich stärker geworden.
Das Herz schlug ihm bis zum Hals, er kehrte nach außen zurück und suchte nach einem Anhaltspunkt dafür, dass diese Beobachtung keine Fantasie war, er nicht aus Gram halluzinierte. Doch sie schlief weiter friedlich und vollkommen bewegungslos, mit den beiden kleinen Händen auf ihrem Körper. Auf ihrer Haut. Warum war ihm das nicht schon vorher aufgefallen. Sowohl Keenan als auch Noor hatten ihre Hände an eine andere Stelle gelegt … jeweils auf ihrer Seite an Katyas Kopf.
Beinahe sicher, dass er allmählich den Verstand verlor, zwang sich Dev zwei Stunden lang, nichts weiter zu unternehmen. Erst dann öffnete er wieder sein geistiges Auge. „Lieber Gott“, flüsterte er voller Verwunderung.
Aus Furcht, jede Bewegung könnte das Wunder zerstören, blieb er weitere vier Stunden unbeweglich sitzen und sorgte dafür, dass niemand das Schlafzimmer betrat. Als Keenan und Noor schließlich aufwachten, sah er in ihre erschöpften kleinen Gesichter und konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, die Kinder ganz fest an sich zu drücken. „Guten Morgen.“
„Morgen“, murmelte Noor schlaftrunken und rieb sich die Augen. „Will Tally.“
Keenan tätschelte ihren Arm, es sah aus, als hätte er Mühe, sich zu bewegen. „Tally ist zu Hause, aber ich bin da.“
Ein kleines Lächeln. Gähnend richtete Noor sich auf und kroch zu Dev, sie schien sehr erschöpft zu sein. „Eierkuchen?“, fragte sie hoffnungsvoll, als er sie vorsichtig in den Arm nahm.
„Eierkuchen“, flüsterte er mit zitternder Stimme und strich Keenan leise übers Haar, als der Junge sich an sein Knie lehnte.
Während Devs Großeltern und Sascha die Kinder mit Eierkuchen ablenkten, untersuchten Connor und Ashaya Katya mit dem, was Connor dabeihatte. Dev wusste, dass beide Ärzte keinerlei Hoffnung auf eine Gesundung hatten und es nur ihm zuliebe taten, aber das kümmerte ihn wenig. Und als Ashaya den Mund vor Erstaunen nicht mehr zubekam und Connor unterdrückt vor sich hin fluchte, gab er immer noch nicht dem körperlichen Bedürfnis nach, vor Erschöpfung und Erleichterung zusammenzubrechen.
Das musste warten, bis Katya erwachte.
„Wenn man diesem Gerät glauben kann“, sagte Connor schließlich, „arbeitet ihr Gehirn wieder.“ Er schlug mit der Handfläche auf das Display, als wollte er den Scanner neu justieren. „Ich brauche aber genauere Daten.“
„Besorgen Sie das Nötige“, murmelte Ashaya und starrte auf Katya. „Meine Fähigkeiten reichen nicht aus, um Schädigungen festzustellen, aber ihre Reaktionen bewegen sich im Normalbereich.“
Connor zog sein Handy heraus.
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