Ruf der Vergangenheit
so kalt, dass du genauso gut ein Medialer sein könntest.“
Bei ihrer Abkehr vom Medialnet war seine Urgroßmutter noch ein Kind gewesen, und für ihre ganze Generation war das der bestimmende Augenblick ihres Lebens gewesen. Doch diese Alten hatten nicht begriffen, dass der Krieg nicht vorbei gewesen war, dass nur harte, kalte Entscheidungen die Vergessenen vor ihrer völligen Auslöschung bewahrt hatten.
Und Dev war noch nicht hartherzig genug, um einer Empathin das Herz zu brechen.
Katya seufzte, und sofort befand er sich wieder in der Gegenwart. „War’s gut?“, fragte er.
„Ich würde gern mehr essen, aber mein Magen weigert sich.“
Einen Moment lang gab er die eisige Kontrolle auf, und seine natürliche Wärme trat an ihre Stelle. „Ich halte am nächsten Rastplatz an, damit Sie den Becher wegwerfen können.“
„Das will ich gar nicht.“ Sie leckte den Löffel mit einem so unschuldigen Vergnügen ab, dass es ihn bis ins Mark traf.
Jeder Muskel in ihm spannte sich an, er konnte sich von ihren sinnlichen Lippen, der rosafarbenen Zunge nicht losreißen. Himmel, Dev, rief er sich zur Ordnung, das ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt, um an Sex zu denken.
Seinen Körper störte das offensichtlich nicht. Dabei hatten ihn schwache, zerbrechliche Frauen nie angezogen. Und Katya war genau das. Aber er nahm auch den stählernen Willen unter der zarten Haut und in ihrem verlorenen Blick wahr – wenn sie sich selbst erst wiedergefunden hatte, musste er bestimmt mit ihrer Stärke rechnen.
„Ich werde Ihnen zu Hause einen neuen machen“, brachte er schließlich mit rauer Stimme heraus. „Wir halten unterwegs an und besorgen die Zutaten.“ Er konnte nicht anders, musste sich einfach um sie kümmern. Eine weitere Schwachstelle in seinem Panzer.
„Darf ich mir die Früchte aussuchen?“
Ihre Freude besänftigte sein Verlangen und fachte es gleichzeitig an. „Woher wollen Sie denn wissen, was Sie mögen?“
„Ich werde von allem kosten und mich dann entscheiden.“ Eine rein pragmatische Herangehensweise … dennoch war das unüberhörbare Vergnügen in ihrer Stimme keinesfalls pragmatisch und nicht im Geringsten passend für eine Mediale.
Wenn sie wirklich eine Waffe war, dann war sie ein Meisterwerk.
Nur zwei Stunden später schritt Katya über eine großzügige Veranda in ein elegantes Haus, zu dem eine lange Auffahrt inmitten von mehreren Hektar Wald führte. Eine feine Schneeschicht hatte die Umgebung in eine Märchenlandschaft verwandelt, am meisten interessierte Katya jedoch das Haus. „Ist das Ihr Zuhause?“
Dev nickte. „Wenn ich es schaffe, herzukommen. Warten Sie, ich stelle schnell die Einkäufe in der Küche ab.“
Neugierig sah sie sich um. Was für ein Mensch der Direktor von Shine wohl war? Kurze Treppen verbanden die unterschiedlichen Ebenen miteinander, der untere Bereich war offen und lichtdurchflutet, die Möbel waren Designerstücke, wurden aber offensichtlich benutzt. Große Fotografien hingen an den wenigen Wänden – fasziniert ging sie auf eine von ihnen zu. Eine Muschel am Strand, jede Struktur klar erkennbar. Dennoch lag Wärme in dem Schwarzweißbild, der Fotograf war sichtlich von der Schönheit des einfachen Objekts angezogen gewesen. „Kunst“, flüsterte sie, als sie Devs Schritte hörte, „können Mediale nicht schätzen.“
„Vielleicht hängen die Vergessenen deshalb so sehr daran.“ Er lehnte sich mit der Schulter an die Wand und verschränkte die Arme locker vor der Brust. „Fast alle Kinder der Vergessenen werden dazu angehalten, Kunst und Musik zu schätzen.“
Katya überlegte, ob diese Information Dev und seinen Leuten schaden könnte, falls man sie jemals wieder in das dunkle Loch zurückwarf. Sie entschied sich dagegen. „Ihre Vorliebe gilt der Kunst.“
Er nickte.
„Sie sind sehr gut.“ Mediale verstanden nichts von Kunst, aber in ihrem Kopf gab es Informationen, die besagten, dass sie den Wert von Kunst durchaus kannten. Denn für ihre Gattung war etwas, dessen Wert stieg, eine gute Investition, ob dem Besitzer das Werk gefiel, spielte allerdings keine Rolle.
Devs Augen leuchteten auf. „Woher wissen Sie, dass sie von mir sind?“
„Sie passen zu Ihnen.“ Sie wusste selbst nicht genau, was sie damit meinte. Aber jedes Bild trug seine Handschrift. Klar, auf das Wesentliche fokussiert, genau wie er selbst. Doch die Wärme darin … er hatte sich verändert. „Wann haben Sie sie aufgenommen?“
„Vor einigen Jahren.“
Was
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