Ruf der Vergangenheit
erst widersprechen, aber was hätte ich angesichts ihres Verlustes schon sagen können? Sie trauert um ihren Ehemann. Kaum hat die Polizei einen Serienmörder gefasst, geht auch schon der Nächste um. Mr. Ennis war nur ein Opfer unter vielen – und das erschreckt mich maßlos.
Dennoch kann ich kein Programm akzeptieren, dass dir dein Lächeln, deine Tränen, dein Herz nehmen würde. Du bist mir mehr wert als aller Frieden dieser Welt.
In Liebe
Mamotschka
11
Dev ignorierte sein Handy weiterhin, in Trainingshose und ärmellosem T-Shirt ging er zum Fitnessraum im hinteren Teil des Hauses und zog sein Sportprogramm durch. Mit den Fäusten auf einen Sandsack einzudreschen, baute zwar seinen Frust ab, brachte ihn aber ansonsten keinen Schritt weiter.
Katya zog ihn an. So einfach war das. Langsam sollte er das vor sich selbst zugeben. Sie war seine Feindin, hatte ihn sogar gewarnt, sie sei eine Zeitbombe, dennoch fühlte er sich zu ihr hingezogen. Ein Teil von ihm wollte sie schützen und für sie sorgen, während der hartgesottene Pragmatiker in ihm sich sagte, er würde damit nur auf die Nase fallen.
Beinahe hätte er sie geküsst, sein Körper hatte vor Erregung gebrannt beim Streit mit dieser Frau, die noch weit wildere Leidenschaften in ihm erregte. Sie sollte nicht durch seine Stahlschilde dringen können, durfte ihn nicht so tief berühren, ohne dass er es bewusst gewollt hätte.
Aber sie hatte es getan. Tat es noch. In jedem verdammten Augenblick.
Er verpasste dem Sandsack einen Tritt, drehte sich um die eigene Achse und stand wieder fest auf der Matte.
„Sie sind gut.“
Er wandte sich nicht um, sondern konzentrierte sich auf die nächste Schlagfolge. „Ich habe als Jugendlicher mit dem Training angefangen.“ Nach dem Tag, an dem er erkannt hatte, dass er die Saat der Gewalt in sich trug, die sein Leben als Kind zerstört hatte. „Gut zum Stressabbau.“
Auch ohne hinzusehen, wusste er, dass Katya im Türrahmen stand und ihn beobachtete. Es kostete ihn einige Kraft, sich trotzdem zu konzentrieren. „Für Sie wären ein paar einfache Dehnübungen gut, um die Muskeln zu kräftigen.“
„Sind Sie sicher, dass ich welche habe?“
Dieser Anflug von Humor traf ihn wie ein Schlag in den Magen. Er sah sie an und strich sich das feuchte Haar aus der Stirn – das Hemd klebte an seinem Körper, und auf seinen Armen glitzerten Schweißperlen. „Ein oder zwei werden sich wohl in Ihrem klapprigen Körper verstecken.“
Die Haselaugen nahmen eine dunklere Schattierung an. „Beleidigen Sie immer die Frauen, die Sie entführen?“
Wut. Wie interessant. „Kommt ganz auf die Frau an.“
„Wie viele haben Sie denn schon hierhergebracht?“
Keine einzige. Dev konnte andere nur sehr schlecht in seiner Privatsphäre ertragen. „Das bleibt mein Geheimnis.“ Er wischte sich das Gesicht mit einem Handtuch ab und ging zur Tür. „Nach dem Duschen bekommen Sie Ihren Smoothie.“
Sie trat zur Seite, als er an ihr vorbeiging. Wie alle Medialen. Sie verabscheuten jeglichen Körperkontakt. Aber Katya hatte doch danach verlangt. Irritiert und verärgert stieg er die Stufen hoch. Die Dusche war eiskalt, und er ließ sie so, wie sie war.
Katya beugte sich vor, stützte die Hände auf die Knie und stieß die Luft aus. Mein Gott, sie hatte ja gewusst, dass er gut in Form war, aber …
Sie schluckte, versuchte wieder zu Atem zu kommen. In einem Wildgehege in Indien hatte sie einmal einen Tiger gesehen. Es war um Abbaugenehmigungen gegangen, sie hatte für ein internationales Unternehmen gearbeitet, aber vor allem das Bild des Tigers war bei ihr hängengeblieben. Diese tödliche Anmut, diese Schönheit – selbst ihrem medialen Verstand war nicht verborgen geblieben, dass sie etwas Außergewöhnliches vor sich hatte.
Devs schweißglänzender, muskulöser Körper, sein angespannter Bizeps beim Boxen – er war ihr ebenso ungebändigt und schön wie der Tiger erschienen, so weit entfernt von dem Mann in dem dunklen Anzug und korrekten Hemd wie sie selbst von jener Ekaterina, die für den Rat gearbeitet hatte. All ihre Willenskraft war nötig gewesen, um nicht die Hand auszustrecken und ihn zu berühren.
Wahrscheinlich hätte er ihr die Hand abgebissen.
Noch einmal holte sie zitternd Luft, dann ging sie hinüber zur Matte und befühlte den Sandsack. Ziemlich schwer. Dev hatte ihn zum Schwingen gebracht, als wäre er federleicht. Ihr Erinnerungsvermögen war lückenhaft, aber sie wusste mit Bestimmtheit, dass sie
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