Ruf der Vergangenheit
Leopard machte sich ans Werk, und Katya wandte sich an Vaughn. „Geht es Ashaya gut?“
„Ja.“ Der Wächter hob eine Augenbraue. „Aber Sie haben sie doch bereits gesehen?“
„Ich war damals nicht in bester Verfassung. Wir haben kaum zwei Worte miteinander gewechselt.“
„Sie ist sehr glücklich“, sagte Vaughn. „Mit Dorian und dem Kind hat sie eine richtige Familie.“
Cory bat Dev, seinen Daumen auf den Scanner zu legen, und deshalb verpasste dieser den Rest der Unterhaltung. Als er sich wieder umdrehte, zeigte Vaughn Katya etwas auf seinem Handy, die beiden standen so nahe beieinander, dass sie sich fast berührten. Wenn es Tag gewesen wäre … aber der war es nicht. Vaughn war ein Fremder für ihn, und er vertraute ihm nicht. Sein Körper machte sich zum Kampf bereit.
Während er gegen eine Welle von Eifersucht kämpfte, die er so noch nie zuvor gespürt hatte, öffnete sich die Haustür. Mercy und Jamie traten auf die Veranda. Vaughn steckte das Handy ein. „Alles geregelt?“
Mercy nickte und wandte sich dann an Dev. „Sascha kommt am Nachmittag.“
„Vielen Dank.“ Es klang halbwegs zivilisiert, obwohl er sich überhaupt nicht so fühlte.
„Hoffentlich kann sie dem Jungen –“ Mercys Mund klappte zu, als Dev schnell den Kopf schüttelte.
Katya erstarrte. Dann fiel sie in sich zusammen und stand mit hängenden Schultern da. Dev konnte es kaum aushalten, sie so zu sehen. Er überließ Cory die weitere Programmierung und ging zu ihr, gleichgültig dem gegenüber, was die anderen denken mochten, legte er ihr den Arm um die Taille und zog sie an sich.
Sie lehnte sich nicht an … wehrte sich aber auch nicht.
„Cory“, rief Vaughn, ohne auf Devs Verhalten einzugehen. „Bist du fertig?“
Aber Mercy warf Dev einen scharfen Blick zu. Wie ein Blitz traf ihn die Wahrheit – falls Katya nicht mit ihm nach New York zurückkehren wollte, würden die Leoparden eine Möglichkeit finden, sie bei sich aufzunehmen. Schließlich gab es neben der hochbegabten M-Medialen Ashaya noch zwei Kardinalmediale im Rudel.
Er wich Mercys Blick nicht aus. Schließlich lächelte sie ein wenig. „Wir hauen dann mal ab. Bis später, Dev. Katya, das ist meine Nummer.“ Sie gab ihr eine Visitenkarte. „Rufen Sie an, wenn Sie mich brauchen.“
Dev wartete, bis die Raubkatzen sich entfernt hatten. „Wirst du sie anrufen?“
„Nein.“ Katya rieb mit den Fingerspitzen über die Karte und steckte sie ein. „Ashaya meint es gut, aber sie begreift nicht, wie sehr er mich verändert hat. Ich kann den Schattenmann jetzt sehen – es ist Ming –, das Muttermal ist nicht zu verkennen. Sein Gesicht hat sich nie verändert“, murmelte sie, „ganz egal, was er getan hat oder wie sehr ich um Gnade bat.“
Plötzlich traf ihn eine Welle fürchterlicher Wut. Er drehte Katya zu sich herum, um ihr ins Gesicht zu sehen. Aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen, sondern stemmte sich gegen seine Brust. „Warum hältst du mich fest?“
„Du siehst aus, als könntest du es brauchen.“
Die direkte Antwort brachte sie aus dem Gleichgewicht. Aber nur kurz. „Das kannst du nicht machen, Dev.“
„Was?“ Er ließ eine Haarsträhne durch seine Finger gleiten.
Sie schob seine Hand weg. „Du kannst mir nicht erst sagen, dass du Befehl gegeben hast, mich wenn nötig zu töten, und mich dann im nächsten Augenblick streicheln.“
„Ich war stinksauer“, sagte er und brach alle von ihm selbst aufgestellten Regeln über die Verbrüderung mit Feinden.
„Weil du gedacht hast, ich würde dich an der Nase rumführen.“ Sie war verletzt und wütend. „Und das glaubst du immer noch.“
„Was soll ich denn sonst denken?“ Jetzt war er mit seiner Geduld am Ende. „Du bist eine verdammt starke Telepathin und willst es vergessen haben. Das ist doch, als hättest du vergessen, dass du Beine hast.“
„Das ist nicht dasselbe!“, schrie sie zurück und griff sich mit beiden Händen an den Kopf.
Sofort legte er die Hand an ihre Wange. „Was ist los?“
„Schsch.“ Auf ihrer Stirn erschienen Falten.
Fast zwei Minuten standen sie so da, sie hatte den Kopf schräg gelegt, als höre sie etwas, als erschlösse sich ihr ein weiteres Geheimnis aus der Vergangenheit. Doch als sie ihn ansah, stand nur Schmerz in ihren Augen. „Ich sehe allmählich ganz tief Verborgenes.“
Diesmal konnte er nicht anders, er musste ihr glauben. „Gut so.“
„Da bin ich mir nicht so sicher.“ Sie schluckte. „In diesem Labor habe ich
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