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Ruf der verlorenen Seelen

Ruf der verlorenen Seelen

Titel: Ruf der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derting Kimberly
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der
Hand.
    Er folgte Violets Spuren.

31. Kapitel

    Violet spürte ein Kribbeln in den Armen, als die Axt auf die
gefrorene Erde traf. Die Axt war zu schwer in ihren Händen.
    Sie hatte die Taschenlampe so in den Schnee gelegt, dass sie
die Stelle beleuchtete, an der sie graben wollte.
    Sie konnte kaum zusammenhängend denken. Ihre Gedanken
waren nebelhaft, trieben davon wie Rauchfäden. Das Echo
schien sie zu betäuben, immer fester hatte es sie im Griff, hielt
sie umklammert.
    Das war unlogisch, sie war doch schon da, weshalb wurde der
Ruf des Echos noch stärker? Oder …
    Eine tiefe, raue Stimme bestätigte ihre Befürchtung – sie war
nicht allein.
    Sie wusste nicht, wie er es geschafft hatte, ihr zu folgen. Entweder
war sie zu benebelt oder zu konzentriert gewesen, um zu
merken, dass sich um sie herum etwas verändert hatte.
    Dass etwas nicht stimmte.
    Â»Woher hast du es gewusst?«, fragte der Mann barsch.
    Violet fuhr zurück, die Angst riss sie kurzzeitig aus ihrer
Trance. Sie brauchte nicht zu fragen, wer er war. Als sie die
zuckenden Blitze unter seiner Kapuze sah, wusste sie Bescheid.
Jetzt regnete es wieder, sie hörte dieselben schweren Tropfen,
von denen sie auch aufgewacht war.
    Nein , dachte sie dann. Es regnet nicht, dafür ist es zu kalt. Es
ist nur das Geräusch.
    Sie schaute auf ihre behandschuhten Hände, auf die Axt, die
sie hielt. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Vor Schreck war
ihr die Kehle wie zugeschnürt.
    Jetzt sprach er wieder, leiser diesmal. Etwas wie Bedauern lag
in seiner Stimme. »Wie hast du sie gefunden?«
    Violet verstand die Frage nicht und versuchte, sich zu konzentrieren.
    Sie? Violet kramte in ihrem Gedächtnis nach allem, was sie
über die Jagd wusste – viel war es nicht –, über die Regeln, die
ein Jäger zu beachten hatte. Wurden nicht nur die männlichen
Tiere gejagt? War es nicht verboten, die Weibchen zu schießen?
    Sie biss die Zähne zusammen, versuchte dem Locken des
Echos standzuhalten, dem Gift, das ihre Sinne betäubte.
    Als er einen weiteren Schritt auf sie zu machte, stolperte er.
    Hinter dem flackernden Licht sah Violet seine rotgeäderten
Augen mit den dunklen Ringen darunter. Aus der Nähe sah er
viel älter aus und sehr, sehr müde.
    Er starrte sie an, ohne sie zu sehen. Vermutlich war er vom
Alkohol genauso benommen wie sie von der berauschenden
Wirkung des Echos.
    Sie überlegte wegzugehen, weg von dem Echo, damit sie wieder
klar denken konnte. Aber der Schmerz würde zu schlimm sein, noch unerträglicher dadurch, dass Mikes Vater ebenfalls
das Echo trug.
    Gequält sagte er: »Ich habe sie geliebt. Und vor langer, langer
Zeit hat sie mich auch geliebt. Ich wollte das nicht.«
    Jetzt verstand Violet überhaupt nichts mehr. Seine Worte
waren ihr ein Rätsel.
    Sie öffnete den Mund, um ihn zu fragen, was er meinte, aber
sie brachte keinen Ton heraus. Sie saß nur da und starrte ihn an.
    Â»Sie hatte versprochen, mich immer zu lieben. Sie hat es geschworen
…« Es klang bitter und voller Zorn, Speichel sammelte
sich in seinen Mundwinkeln. Violet merkte, dass er nicht
mehr zu ihr sprach. Er schaute durch sie hindurch, war ganz in
seine Erinnerungen versunken. »Aber das waren alles Lügen.
    Und dann hat sie mir gesagt, dass sie mich nicht mehr liebt. Sie
hat gesagt, dass …« Seine Stimme versagte. »… dass sie ihn will.
    Sie hat mein Leben zerstört.« Er biss die Zähne zusammen.
    Violets Blick wanderte zu seiner Hand, die schlaff herunterhing.
Da sah sie das Gewehr, auf das er sich stützte.
    Schlagartig klärten sich ihre Gedanken. Das Blut in ihren
Adern schien elektrisch geladen zu sein. Sie nahm ihre Umgebung
plötzlich überscharf wahr – auch den Mann, der vor
ihr stand. Sie war entsetzt von seinem Geständnis, obwohl sie
immer noch nicht begriff, was er da eigentlich gestand. Aber
im tiefsten Innern wusste sie, dass er ihr etwas erzählte, was sie
nicht hören wollte. Das niemand jemals hören dürfte.
    Immer noch schaute er Violet nicht an. »Aber ich habe sie
geliebt«, flüsterte er. »Wie konnte sie mich einfach verlassen?
Wie hätte ich sie gehen lassen können?«
    Violet konnte den Blick nicht von dem Gewehr lösen, und
ihr Herz schlug so heftig, dass es wehtat.
    Â»Ich wollte ihr nichts tun«, sagte er und jetzt schaute er Violet
um Verständnis flehend an.
    Violets

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