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Ruf der Wildnis

Ruf der Wildnis

Titel: Ruf der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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neben dem Schlitten lief, kaum mehr folgen konnte und sich am Seil nachziehen lassen mußte. Am letzten Abend der zweiten Woche überstiegen sie den Weißen Paß und glitten den Küstenhang hinunter und sahen die Lichter von Skaguay und seinem Hafen aufblitzen.
    Es war eine Rekordfahrt! Vierzehn Tage lang hatten sie täglich durchschnittlich vierzig Meilen zurückgelegt. Drei Tage lang stolzierten Perrault und François mit geschwellter Brust die Hauptstraße von Skaguay auf und ab und wurden mit Einladungen zu Drinks überschüttet, während das Gespann der ständige Mittelpunkt einer Menge von Hundeliebhabern war. Erst als drei oder vier Rowdies, die versucht hatten, die Stadt zu plündern, wie Pfefferkisten durchlöchert wurden, ließ das allgemeine Interesse an den Hunden wieder nach. Bald darauf kamen amtliche Befehle, und die beiden Schlittenführer erhielten andere Aufgaben. Als sich François von Buck verabschiedete, schlang er seinen Arm um ihn und weinte. Wie so viele andere Menschen verschwanden François und Perrault für immer aus Bucks Leben.
    Ein schottisches Halbblut übernahm Buck und seine Gefährten, und zusammen mit einem Dutzend anderer Hundegespanne fuhren sie die mühsame Strecke nach Dawson zurück. Das war kein leichtes Laufen mehr, keine Rekordfahrt, sondern harte Arbeit vor einer schweren Last. Sie führten den Postschlitten, der den Männern, die in der Polargegend Gold suchten, Nachrichten aus der zivilisierten Welt brachte.
    Buck gefiel dieses Leben nicht, aber er hielt willig durch und setzte seinen Stolz darein, daß jeder Hund seines Gespannes seine Pflicht tat. Es war ein eintöniges Leben. Ein Tag glich dem anderen. Zur gleichen Zeit an jedem Morgen standen die Köche auf, Feuer wurden angezündet, und die Männer frühstückten. Einige brachen das Lager ab, andere schirrten die Hunde an, und eine Stunde vor dem Morgengrauen waren sie schon unterwegs. Abends wurde das Lager wieder aufgebaut. Man stellte die Zelte auf, schnitt Brennholz und sammelte Fichtenäste für die Betten und schleppte Wasser oder Eis für die Küche. Die Hunde wurden gefüttert, und wenn sie ihren Anteil gefressen hatten, lungerten sie noch mit ihren Kameraden eine Stunde im Lager umher. Streitbare Gesellen waren unter ihnen, aber drei Kämpfe genügten, um auch die wildesten unter ihnen von Bucks Überlegenheit zu überzeugen. Wenn er seine Zähne fletschte, ging ihm jeder aus dem Weg.
    Am liebsten lag er nahe am Feuer, die Hinterbeine unter den Körper gezogen, die Vorderbeine ausgestreckt. Er blinzelte träumerisch in die Flammen. Manchmal wanderten seine Gedanken zum großen Haus seiner sonnigen Heimat zurück, zu Bella, der Mexikanerin, und Toot, dem japanischen Mops, aber viel häufiger noch erinnerte er sich an den roten Mann, an den Tod Curlys, an den großen Kampf mit Spitz und an die guten Dinge, die er gefressen hatte oder gern fressen wollte. Aber er hatte kein Heimweh. Das Sonnenland erschien ihm nur sehr undeutlich und entfernt, und die Erinnerungen daran berührten ihn kaum. Weit mächtiger waren die Erinnerungen seiner Vorfahren. So lange hatte ihr Erbe in ihm geschlafen, und nun erwachte es und wurde wieder lebendig.
    Wenn er manchmal da so kauerte und in die Flammen blinzelte, schien es ihm, daß die Flammen von einem anderen Feuer waren und daß bei diesem anderen Feuer ein anderer Mann als das Halbblut neben ihm saß. Dieser andere Mann hatte kürzere Beine und längere Arme mit Muskeln, die sehnig und knotig waren. Das Haar dieses Mannes war lang und wirr verfilzt, und seine Stirn wich unter ihnen zurück. Er stieß seltsame Laute aus und schien große Angst vor dem Dunkel zu haben, in das er unaufhörlich starrte. Seine Hand, die weit über die Knie reichte, umkrampfte einen Stock, der einen schweren Stein am Ende trug. Der Mann war fast nackt, nur ein zerrissenes, feuerversengtes Fell hing über seine Schultern herab. Der Körper war mit Haaren bedeckt, über der Brust und an den Schultern und auf der Außenseite der Arme und Schenkel waren sie dick wie ein Pelz. Er stand nicht aufrecht, sondern mit vorgeneigtem Oberkörper und auf Beinen, die sich in den Knien bogen. Diesen Körper belebte eine fast katzenähnliche Spannkraft und Elastizität, eine Wachsamkeit, die aus der ständigen Furcht vor sichtbaren und unsichtbaren Dingen kommt.

    Ein anderes Mal wieder hockte dieser haarige Mann mit dem Kopf zwischen den Beinen am Feuer und schlief. Seine Ellbogen ruhten auf den Knien, seine

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