Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruf der Wildnis

Ruf der Wildnis

Titel: Ruf der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
Vom Netzwerk:
Hände schlossen sich über dem Kopf, als wollte er mit den haarigen Armen den Regen abhalten. Und jenseits des Feuers, in der umgebenden Dunkelheit, konnte Buck viele glühende Kohlen sehen, zwei und zwei, immer zwei und zwei, und er wußte, daß es die Augen wilder Tiere waren. Und er hörte das Knacken des Unterholzes und hörte, wie sie umherschlichen. Und so lag Buck träumend am Ufer des Yukon, starrte schläfrig in das Feuer, und die Laute und Bilder einer fernen Welt ließen sein Rückenhaar sich sträuben, und er winselte leise und unterdrückt, bis ihn das Halbblut anrief: »He du, Buck, wach auf!« Dann verschwanden diese Bilder, und die Wirklichkeit trat wieder in ihre Rechte; er gähnte und streckte sich, als ob er geschlafen hätte.
    Die Fahrt mit dem Postschlitten war hart, und die schwere Arbeit zehrte an den Kräften des Gespanns. Sie hatten an Gewicht verloren und waren in elender Verfassung, als sie in Dawson eintrafen. Eine Rast von mindestens einer Woche hätten sie dringend nötig gehabt, aber schon zwei Tage später mußten sie, mit Briefen und Paketen beladen, den Rückweg antreten. Die Hunde waren müde, die Führer müde. Noch dazu schneite es jeden Tag. Die Bahn war weich und das Ziehen harte Arbeit für die Hunde. Die Leute sorgten, so gut sie es konnten, für die Tiere.
    Jeden Abend wurden zuerst die Hunde betreut. Sie bekamen ihre Mahlzeit zuerst, dann aßen die Männer, und keiner von ihnen ging schlafen, ehe er nicht die Pfoten seiner Hunde untersucht hatte. Trotzdem nahmen ihre Kräfte ständig ab. Seit Beginn des Winters hatten sie achtzehnhundert Meilen zurückgelegt und ihren schweren Schlitten gezogen; achtzehnhundert Meilen mußten auch dem Zähesten in die Beine gehen. Buck hielt durch, feuerte seine Gefährten zur Arbeit an und sorgte für Ordnung, obwohl auch er erschöpft war. Billie klagte und winselte jede Nacht. Joe war verdrießlicher denn je, und Solleks durfte man sich überhaupt nicht nähern, weder auf seiner blinden noch auf seiner anderen Seite. Von allen aber litt Dave am meisten. Etwas war bei ihm nicht in Ordnung. Er wurde immer mürrischer und gereizter und machte sich, wenn das Lager aufgeschlagen wurde, sofort sein Nest, wo ihn sein Lenker füttern mußte. Sobald er ausgeschirrt war und am Boden lag, stand er nicht wieder auf bis morgens, wenn er zum Schlitten mußte. Manchmal heulte er vor Schmerz auf, mitten auf der Straße, wenn das Gespann ruckartig zum Stillstand kam oder von neuem losfuhr und die Stränge sich straffzogen. Die Lenker untersuchten ihn, konnten aber nichts finden. Alle Männer interessierten sich für seinen Fall. Sie sprachen von Dave zur Essenszeit und wenn sie ihre Pfeifen vor dem Schlafengehen rauchten. Eines Abends holten sie ihn aus seinem Nest und brachten ihn ans Feuer. Sie tasteten seinen Körper ab, und obwohl er immer wieder kläglich aufheulte, fanden sie nichts, keinen gebrochenen Knochen, keine innere Verletzung. Aber irgend etwas stimmte nicht mit Dave.
    Als man die Cassiar Bay erreichte, war er so schwach, daß er immer wieder in den Strängen zusammenbrach. Das schottische Halbblut ließ halten, nahm ihn aus dem Gespann heraus, und an seine Stelle trat Solleks. Dave sollte sich ausruhen und frei hinter dem Schlitten herlaufen. Aber so elend er auch war, Dave wollte sich nicht ausspannen lassen, er knurrte und grollte, als die Stränge gelöst wurden, und winselte herzzerreißend, als er Solleks auf seinem Platz sah, auf dem er so lange treu gedient hatte. Selbst als Todkranker konnte er es nicht ertragen, daß ein anderer seine Dienste verrichten sollte.
    Als der Schlitten anlief, stolperte er in dem weichen Schnee neben Solleks her, schnappte nach ihm und versuchte, ihn aus der Spur zu stoßen, um selbst wieder an seine Stelle zu springen. Er jaulte kläglich. Das Halbblut wollte ihn mit der Peitsche wegtreiben, aber Dave kümmerte sich nicht darum, und der Hundeführer brachte es nicht übers Herz, ihn zu schlagen. Eine Zeitlang schleppte sich Dave noch weiter, dann stolperte er und blieb liegen und heulte jämmerlich, als der lange Schlittenzug an ihm vorüberglitt.
    Noch einmal raffte er sich auf und mühte sich hinter den Gespannen ab, bis sie anhielten. Er taumelte zu seinem Schlitten und blieb neben Solleks stehen. Nur einen Augenblick ließ der Lenker den Hund aus den Augen, als er sich bei seinem Hintermann Feuer für seine Pfeife holte. Als er zurückkam und die Hunde antrieb, begannen sie zu ziehen, blieben aber

Weitere Kostenlose Bücher