Ruf der Wildnis
um einen Pappenstiel. Sie nannten sich Hal und Charles. Charles war ein Mann mittleren Alters, leicht gebräunt, mit schwachen, wäßrigen Augen. Sein mächtiger Schnurrbart konnte die schlaff herabhängenden Lippen nicht verbergen. Hal dagegen war ein Kerl von neunzehn oder zwanzig Jahren, der an seinem Gürtel einen großen Revolver und ein Jagdmesser hängen hatte. Dieser mit Patronen gespickte Gürtel war das einzig Bemerkenswerte an ihm, er verriet seine schier strafbare Unreife. In ihrer Gesellschaft war auch eine Frau, Mercedes hieß sie, und sie nannte Charles ihren Mann und Hal ihren Bruder. Beide Männer waren hier fremd und paßten auch nicht ins Nordland.
Buck hörte dem Schachern zu, sah, wie zwischen den Männern und dem Regierungskurier Geld gewechselt wurde, und wußte nun, daß das Halbblut und die anderen Schlittenlenker ebenso aus seinem Leben verschwinden würden wie Perrault und François. Als Buck mit seinen Gefährten zum Lager seiner neuen Besitzer getrieben wurde, fand er dort eine heillose Wirtschaft. Das Zelt war unordentlich gespannt, das Eßgeschirr schmutzig und alles verschlampt und ungepflegt.
Buck sah ihnen neugierig zu, wie sie sich umständlich daranmachten, das Zelt abzureißen und die Schlitten zu beladen. Jede Erfahrung fehlte ihnen. Das Zelt wurde zu einem plumpen Bündel zusammengerollt, das dreimal so groß war, als es hätte sein dürfen. Das Geschirr wurde, wie es war, schmutzig und ungespült auf den Schlitten geworfen. Anstatt zu helfen, stand Mercedes den Männern nur im Weg, sie rannte bald dorthin, bald dahin, redete ohne Unterbrechung und tat doch nichts.
Wenn sie einen Kleidersack vorne auf den Schlitten legten, schlug sie vor, ihn hinten anzubringen, und wenn sie ihn dann rückwärts verstaut und bereits ein paar Bündel darauf verschnürt hatten, entdeckte sie, daß zuunterst Dinge lagen, die sie notwendig brauchte. Also wurde wieder umgepackt.
Die Männer vom Nachbarzelt beobachteten dieses unsinnige Getue und zwinkerten sich gegenseitig zu.
»Ihr habt da eine ganz schöne Ladung beisammen«, sagte einer von ihnen, »es geht mich zwar nichts an, aber ich an eurer Stelle würde das Zelt nicht mitschleppen.«
»Nicht daran zu denken!« schrie Mercedes und rang theatralisch die Hände. »Ich kann doch ohne Zelt nicht auskommen!«
»Aber ja, es wird schon gehen, es ist Frühling, und das kalte Wetter ist vorbei«, erwiderte der Mann.
Sie schüttelte entschieden den Kopf und legte die letzten Kleinigkeiten auf die Riesenladung.
»Glaubt ihr, daß ihr damit weiterkommt?« fragte ein anderer.
»Warum nicht?« entgegnete Charles kurz angebunden.
»Schon gut, schon gut. Ich erlaube mir nur, mich zu wundern, es scheint mir eine Kleinigkeit zu schwer.«
Charles kehrte ihm den Rücken zu und zog die Verschnürung fest, so gut er es konnte, das heißt, er zog sie nur sehr ungenügend fest.
»Das alles sollen die Hunde ziehen?« fragte ein Neuankommender.
»Selbstverständlich! Dazu sind sie ja da!« antwortete Hal eisig und hob die Peitsche. »Hüh!« schrie er. »Hüh! Vorwärts!«
Die Hunde zogen mit aller Kraft an, mußten aber wieder aussetzen. Der Schlitten hatte sich nicht von der Stelle gerührt.
»Ihr faulen Biester, ich werd’s euch schon zeigen!« schrie Hal und holte mit der Peitsche zum Schlag aus.
Mercedes fiel ihm in den Arm und beschwor ihn: »O Hal, bitte nicht schlagen, das darfst du nicht!« Sie versuchte, ihm die Peitsche zu entwinden. »Ihr armen Lieblinge! Du mußt mir versprechen, den Rest der Fahrt nicht so streng mit ihnen zu sein, sonst gehe ich keinen Schritt weiter.«
»Was weißt denn du von Hunden?« antwortete ihr Bruder grob. »Laß mich zufrieden! Sie sind faul, sie brauchen die Peitsche. Das kann dir jeder sagen. Frag nur einen dieser Männer!«
Mercedes blickte flehend um sich, und in ihrem hübschen Gesicht stand die Abneigung gegen häßliche Dinge geschrieben.
»Sie sind zu schwach, das ist alles, wenn ihr’s wissen wollt«, antwortete einer von den Umstehenden. »Höllisch abgerackert sind sie. Ruhe brauchen sie.«
»Rutsch mir mit deiner Ruhe den Buckel runter!« rief der milchgesichtige Hal. Mercedes sagte entsetzt »Oh!«, ob aus Mitgefühl für die Hunde oder wegen der ordinären Ausdrucksweise ihres Bruders blieb dahingestellt. Aber da sie Familienstolz besaß, kam sie trotzdem ihrem Bruder sofort zu Hilfe.
»Kümmere dich nicht um den Mann. Die Hunde gehören uns, und was wir mit ihnen tun, ist unsere
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