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Ruf der Wildnis

Ruf der Wildnis

Titel: Ruf der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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sofort wieder verblüfft stehen, und verblüfft war auch der Treiber. Der Schlitten hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Das Halbblut rief seine Kameraden herbei: Dave hatte beide Stränge Solleks’ durchgebissen und stand nun vor dem Schlitten an seinem richtigen Platz.
    Er bettelte mit seinen Augen, und das Halbblut starrte ratlos auf ihn. Seine Kameraden erzählten, daß einem Hund das Herz brechen konnte, wenn man ihn von seiner gewohnten Arbeit nahm, und sie erzählten von Hunden, zu alt für die Schinderei oder verletzt, die eingegangen waren, als man sie vom Gespann ausgeschlossen hatte. Und da Dave todkrank war und da ihn nichts mehr retten konnte, wäre es barmherziger, ihn zufrieden und glücklich mitten in seiner harten Arbeit sterben zu lassen. Dave wurde wieder angeschirrt, und stolz trabte er wie früher dem Schlitten voraus, obwohl er immer wieder qualvoll aufheulte, wenn der Schmerz in seinem Körper allzu wütend biß. Er stolperte immer wieder, und einmal gingen die Schlittenkufen über seine Hinterbeine hinweg, und er konnte nur mehr hinkend weiterziehen.
    Aber er hielt aus, bis das Lager erreicht war und sein Lenker ihm am Feuer einen Platz zurechtmachte. Der Morgen fand ihn zu schwach, um aufzustehen. Um die Anschirrzeit versuchte er, zu seinem Treiber zu kriechen. Mit unsäglicher Mühe kam er auf die Füße, taumelte und fiel wieder hin. Sein ganzes Sinnen ging dorthin, wo seine Kameraden waren. Er schob die Vorderbeine voraus und schleppte den Körper ruckartig nach, bis ihn die Kräfte endgültig verließen. Er blieb, nach Atem ringend, im Schnee liegen, seinen versagenden Blick sehnsüchtig auf das Gespann gerichtet. Das war das Letzte, was seine Gefährten von ihm sahen. Sie verloren ihn hinter einem Hügel aus den Augen, aber noch immer konnten sie sein trauriges, klägliches Heulen hören. Der Schlittenzug hielt an. Das Halbblut ging langsam in der Spur zurück. Die Männer hörten zu sprechen auf. Ein Revolverschuß, und der Mann kam eilig zurück. Die Peitschen klatschten, die kleinen Glocken bimmelten hell, und die Schlitten fuhren weiter; aber Buck und jeder Hund wußte, was hinter dem Felsen geschehen war.

Kapitel 5. Die Schrecken des langen Pfades
    D reißig Tage nachdem sie Dawson verlassen hatten, kamen die Postschlitten mit Buck und seinen Gefährten in Skaguay an. Sie waren in einem elenden Zustand, übermüdet und abgerackert. Bucks hundertvierzig Pfund waren auf hundertfünfzehn zusammengeschrumpft. Die anderen hatten im Verhältnis zu ihrer Größe noch mehr Gewicht verloren. Pike, der so oft in seinem Leben ein wundes Bein vorgetäuscht hatte, hinkte nun wirklich. Solleks lahmte, und Dub hatte ein verrenktes Schulterblatt.
    Ihre Pfoten waren zerfetzt und wund, und den Sprunggelenken fehlte jede Spannkraft. Schwerfällig trotteten sie vor dem Schlitten und brauchten die doppelte Kraft, ihn zu ziehen. Das war keine gewöhnliche Müdigkeit mehr, von der man sich nach ein paar Ruhestunden erholt hat. Nach wochenlanger Überanstrengung waren ihre Körper erschlafft, und alle Kraftreserven fehlten. Sie konnten nicht mehr. Ihre Muskeln versagten, jede Faser, jede Sehne ihres Körpers war schlaff und kraftlos. In weniger als fünf Monaten hatten sie zweitausendfünfhundert Meilen zurückgelegt, und die Rasttage waren viel zu kurz gewesen. Als sie in Skaguay ankamen, stolperten sie auf ihren letzten Beinen. Sie waren kaum mehr imstande, die Stränge straff zu halten, und beim Bergabgleiten kamen sie fast unter die Kufen.
    »Oh, ihr armen, armen Kerle«, redete ihnen das Halbblut zu, als sie die Hauptstraße hinuntertorkelten. »Gleich sind wir da! Dann gibt’s eine lange Rast. Ganz sicher! Eine verdammt lange Rast!«
    Alle Kuriere hofften auf eine lange Rast. Wer zwölfhundert Meilen neben dem Schlitten herläuft, hat sich ehrlich seine Erholung verdient. Aber es sollte anders kommen. Dort oben in Klondike lebten allzu viele Männer, die auf Nachricht warteten, und allzu viele Frauen und Kinder warteten im Süden auf Nachricht von ihren Gatten und Vätern. Dazu kamen noch amtliche Schriftstücke. Die wartende Post hatte sich wahrhaftig zu einem Riesenberg aufgestapelt. Die Hunde waren für eine neue Fahrt nicht mehr tauglich, und sie mußten durch neue ersetzt werden.

    Drei Tage vergingen, und Buck und seine Gefährten merkten erst jetzt, wie übermüdet und schwach sie waren. Am Morgen des vierten Tages erschienen zwei Männer aus den Staaten und kauften sie in Bausch und Bogen

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