Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
haben wollte.“
Ich schnappte nach Luft. Das war zu viel auf einmal. Franklin hatte mir erzählt, er habe immer wieder darum gebeten, mit Armand auf die Jagd gehen zu können und sei der Einladung daher mit Freuden nachgekommen. Mein Liebster fasste mich sanft an den Schultern und drehte mich zu sich.
„Er hat dich belogen, Melissa. Immer wieder. Ich habe oft versucht, ihn mit mir zu nehmen, aber er wollte mir nie folgen, weil er wusste, ich würde das Spiel weitertreiben, als es ihm lieb war. Doch er wollte auch Vater des Mutterhauses werden. Und so bot er mir einen Handel an. Wenn ich Carl für ihn aus dem Weg räumte, wollte er mich auf die Jagd begleiten. Ich ließ mich darauf ein. Franklin dachte, er könne sich der Faszination entziehen und das Spiel nach seinen Regeln spielen, doch er hatte sich überschätzt. Ich bekam ebenso wie er das, was ich wollte.“
„Meine Göttin. Ihr seid beide Teufel!“
„Ja, ich bin ein Teufel. Ein Dämon. Ein Kind der Finsternis. Aber mich macht das vampirische Erbe dazu. Franklin nur seine Gier und sein Ehrgeiz.“
„Was hat das mit meiner Mutter zu tun?“
Sein Lächeln war zynisch, und in seinen Augen funkelte es gefährlich. Ganz langsam sagte er: „Der Mann, den ich für Franklin tötete, war Carl
Ravenwood
.“
In diesem Moment stürzte die Welt ein. Die Beine gaben unter mir nach. Ich konnte mich gerade noch am Kaminsims abfangen. Ravenwood. Deshalb also war Joanna sein Liebling gewesen und für die Nachfolge bestimmt. Nicht seine Geliebte – seine Tochter.
„Du hast es die ganze Zeit gewusst“, flüsterte ich tonlos und konnte Armand dabei nicht in die Augen sehen. Wie hatte er mir das antun können? Und dann brach sich meine ganze aufgestaute Wut – auf Franklin, auf ihn, auf Dracon, Lemain und Margret Crest, einfach auf die ganze Welt – mit voller Wucht Bahn. Verdrängte all die Trauer und den Schmerz, den ich Sekunden zuvor noch gefühlt hatte. Ich schrie ihm all meinen Hass entgegen. „Du hast es die ganze Zeit gewusst, du verdammter Scheißkerl! Und du hast nie auch nur ein Wort gesagt. Wie viel von meinem Leben weißt du noch, ohne es mir zu sagen?“ Ich geriet völlig außer mir. „Du hast meinen Großvater getötet! Ist dir das eigentlich klar?“ Er nickte unbeeindruckt. „Verschwinde! Hörst du? Verschwinde aus meinem Leben! Ich will dich nie wieder sehen!“
Keuchend und mit geballten Fäusten stand ich vor ihm und durchbohrte ihn mit meinen Blicken. Zögernd blieb er im Raum stehen. Es war seine Wohnung, eigentlich konnte ich ihn nicht wegschicken.
„Melissa, ich hatte meine Gründe. Aber ich hatte nie vor, dich zu verletzen.“
„Schweig endlich! Alles was du sagst, ist eine einzige Lüge. Du bist keinen Deut besser als Franklin. Wie konnte ich nur so blind sein, gerade euch beiden mein Vertrauen zu schenken? Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Ich glaube dir nicht ein einziges Wort. Deine Schwüre von Liebe und Vertrauen – alles nur Maskerade, damit du mich bekommst. So wie du alles bekommst, was du haben willst. Aber mich nicht, das schwöre ich dir. Mich bekommst du nicht. Niemals. Und jetzt verschwinde endlich.“ Eine Sekunde verharrte er noch, doch dann siegte sein Stolz.
„Comme tu le désires. Wie du wünschst“, knurrte er düster und war im nächsten Moment verschwunden. Alles, was noch an ihn erinnerte, waren die wehenden Vorhänge am Fenster. Ich floh aus seiner Wohnung, denn mir war klar, dass er mir nicht lange Zeit lassen würde, sie zu verlassen. Es war sein Zuhause, und es grenzte an ein Wunder, dass er überhaupt gegangen war.
Ende oder Anfang
Niedergeschlagen kehrte ich ins Mutterhaus zurück. Ich fühlte mich so einsam wie nie zuvor in meinem ganzen Leben. Franklin ging ich tunlichst aus dem Weg. Ich hätte mich jetzt gerne bei Ben ausgeweint, aber der war nicht mehr da.
Jeder im Mutterhaus schien zu wissen, dass etwas vorgefallen war. Ich konnte es an ihren Blicken sehen. Aber keiner sprach mich an. Franklin aus dem Weg zu gehen war leicht, denn er hatte sich in seinem Büro eingeschlossen. Auch ich schloss mich in mein Zimmer ein und wollte niemanden sehen. Am liebsten wollte ich sterben. Zum zweiten Mal hatte ich das Gefühl, mein Leben sei eine einzige Lüge gewesen. Hier bei der Ashera hatte ich gehofft, die Wahrheit zu finden. Und nun musste ich feststellen, dass nur ein weiteres Netz aus Lügen auf mich gewartet hatte.
Camille kam am dritten Tag zu mir. Die verschlossene Tür hielt
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