Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
dass sein dunkelblauer Umhang uns beide einhüllte. Mir schwanden die Sinne. Als ich die Augen wieder aufschlug, standen wir schon im großen Thronsaal, obwohl ich hätte schwören können, dass wir uns noch gar nicht in die Luft erhoben hatten.
„Wir werden besser in diesen Dingen mit jedem Jahr unseres unsterblichen Lebens, kleine Füchsin“, sagte Lucien lächelnd. „Und nun erzähl mir, warum du hergekommen bist.“
„Ich habe einen großen Fehler gemacht, Lucien. Ich muss zu Armand. Aber ich habe keine Ahnung, wo er ist. Und ich brauche Antworten, bevor ich zu ihm gehen kann. Antworten, die du mir geben kannst. Bitte, Lucien, du musst mir helfen!“
„Ach, muss ich das?“ Seine Stimme war eisiger als der Wind, der um die Mauern der Burg pfiff. „Du erbittest einen Gefallen von mir. Aber was gibst du mir dafür?“
„Was? Ich verstehe nicht. Du sagtest doch, ich wäre nicht allein. Und hier immer willkommen.“
Kühl und stolz blicke Lucien mich an. „Aber ich habe nie gesagt, dass ich dafür keine Gegenleistung verlange. Ich biete dir einen Handel an.“
„Was für einen Handel?“
„Die Antworten auf deine Fragen.“
Was erwartete dieser mächtige Vampir von mir? Was könnte ich ihm geben, was ihm kein anderer geben konnte?
„Du zögerst? Sind die Antworten nicht verlockend genug für dich?“ Er trat nah an mich heran, umfasste mein Kinn sanft mit seinen Fingern und drehte mein Gesicht von einer Seite auf die andere, während er mich prüfend musterte. „Dann werde ich dir noch etwas anbieten,
thalabi
. Etwas, dass du unmöglich ausschlagen kannst.
Dame
– mein Blut. Und die Macht meines Blutes.“
Der bloße Gedanke daran ließ meine Knie schwach werden. Ich hatte zu lange nicht getrunken. Das Fieber brannte in meinen Eingeweiden und zerriss mir schier die Glieder.
„Was hätte ich davon?“
„Du wirst eine von uns werden, kleine Füchsin. Du liebst Armand zu sehr, und das ist dein Verderben. Du wirst ihm folgen. Nur deshalb bist du jetzt bei mir. Und wenn du das tust, wirst du sehr stark sein, mit meinem Blut. Stärker als Armand. Und auch stärkerals Dracon oder Lemain. Bedenke, ein Vampir braucht Stärke, um die Ewigkeit zu überleben! Außerdem bist du schon jetzt kein Mensch mehr. Du bist süchtig nach dem Blut, das deinem Herzen Frieden bringt. Und du hast schon seit vielen Tagen nicht mehr getrunken. Dein Körper verlangt danach. Der Verzicht schwächt dich. Armand ist nicht hier, um dir zu geben, was du brauchst. Aber ich bin da. Ich bin der Einzige, zu dem du jetzt gehen kannst. Ich werde dir geben, wonach du dich so sehnst. Du kannst schon jetzt den Schmerz – den brennenden Durst – kaum mehr bezwingen.“
Ich zitterte und hatte das Gefühl, sein Blut bereits schmecken zu können. „Und was müsste ich dafür tun?“ Ich konnte mein Verlangen unmöglich vor ihm verbergen. Er quittierte das mit diesem wissenden Lächeln.
„Gehöre mir. Für eine Nacht nur, aber bedingungslos.“
Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich respektierte Lucien, aber ich hatte auch Angst vor ihm. In mir drehte sich alles. Und das kam auch, wie Lucien richtig bemerkt hatte, von meinem tagelangen Verzicht. Die Zeit, die ich es ohne vampirisches Blut aushalten konnte, war bereits weit überschritten. Aber mich Lucien hingeben? Was würde er mit mir tun? Worauf ließ ich mich ein, wogegen ich mich nicht würde wehren können?
„Ich werde nicht grausam zu dir zu sein, kleine Füchsin. Nicht so wie Dracon. Du brauchst dich also nicht zu fürchten, wenn du einwilligst“, sagte er ruhig.
„Warum bietest du mir das an? Was hast du davon?“
„
Koah
. Macht ist alles, worum es diesem Spiel geht.“
„Du willst Macht über mich?“
„Ich will dich, meine Füchsin. Ich will dich und würde alles geben, wenn ich dich in die Dunkelheit holen könnte. Doch dies ist das Einzige, was ich dir verspreche. Du wirst diese Burg als Mensch betreten und als Mensch wieder verlassen. Jedenfalls, soweit du noch menschlich bist. Allein Armand hat das Privileg, dich zu seiner Gefährtin zu machen. Dieses Recht mache ich ihm nicht streitig.“
Ich begann zu verstehen. Gebunden an die Gesetze der Vampire konnte Lucien mich nicht einfach verführen. Ich gehörte Armand, seit er das erste Mal von mir getrunken hatte. Auch was mir durch Dracons Folter und Lemains Hilfe widerfahren war, änderte nichts daran. Also musste ich einwilligen, nein, ich musste es sogar selbst entscheiden, wenn er mich haben
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