Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
erlaube dir den Besuch bei einem Freund. Aber gib auf dich Acht!“
Er nahm eines der Mobiltelefone, die an der Infowand im Eingangsbereich hingen und wählte die Nummer der Taxizentrale.
„Besuchst du ihn oft?“ Die Frage war mir einfach rausgerutscht. Wenn er seine Adresse hatte, erschien es mir naheliegend.
„Er gab mir seine Adresse vor langer Zeit und lud mich ein, ihn zu besuchen. Ich bin aber noch nie dort gewesen. Denk daran, vor der Morgendämmerung!“ Damit reichte er mir den Zettel mit Armands Adresse.
Von außen wirkte Armands Haus wie jedes andere auch. Sauber und vielleicht eine Spur vornehmer als die meisten anderen in der Straße. Die Haustür war verschlossen, aber ich fand ein kleines Kellerfenster, das nur angelehnt war. Es war gerade groß genug, dass ich mich hindurchzwängen konnte. Ich war noch nicht ganz drin, als zwei Hände mich grob packten und nach innen zogen. Mit einem lauten Schrei versuchte ich, mich diesen Händen zu entwinden, was mir aber nicht gelang.
„Mel!“, rief Armand erstaunt aus. „Tu es folle, toi ! Bist du wahnsinnig, so in das Haus eines Vampirs einzudringen? Du hättest sterben können!“
„Es ist ja nicht irgendein Vampir, bei dem ich einsteige“, bemerkte ich säuerlich und befreite mich von ihm. Energisch strich ich meine Kleidung glatt. „Aber Franklin sagte schon, dass du spürst, wenn ein Sterblicher in deinem Haus ist.“
„Franklin? Incroyable! Offenbar hat er neuerdings Vertrauen in meine Person, wenn er freimütig meine Adresse an hübsche unschuldige Damen weitergibt“, stellte er mit einem anzüglichen Lächeln fest.
„Nein, hat er nicht“, fauchte ich. „Er hat mich eindringlich gewarnt.“
Er schmunzelte über meinen spitzen Ton, ließ sich aber nicht weiter darauf ein. „Du wagst dich also endlich in die Höhle des Löwen?“ Ich strafte ihn mit einem Blick, der ihn in einen Eisklumpen hätte verwandeln können, aber er lachte nur. „Komm mit nach oben, ma chère. Mein Keller ist nicht sehr gemütlich.“
Da stimmte ich ihm zu. Es war dunkel und feucht wie in einer Gruft. Neugierig folgte ich ihm. Seine Wohnung gefiel mir wesentlich besser. Die Küche war mehr Schein als Sein, aber praktisch eingerichtet. „Kochst du?“
„Nur gelegentlich, wenn ich Gäste habe. Für mich allein würde es sich nicht lohnen.“
Mit hochgezogener Braue drehte ich mich zu ihm um. Die Frage war eigentlich nur rethorisch gemeint, denn ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass er tatsächlich normales Essen kochte. Er war in der Tür stehen geblieben, mit verschränkten Armen, lässig am Rahmen lehnend, und beobachtete, wie ich durch seine Wohnung wanderte. „Soll das heißen, dass du auch normale Nahrung zu dir nimmst?“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich könnte es. Aber ich habe kein Verlangen mehr danach. Also esse ich sehr selten. Nur, wenn ich in Gesellschaft bin, die meine wahre Natur noch nicht kennt.“
In dem blau gefliesten Badezimmer lagen etliche kosmetische Utensilien: Hochwertige Kämme, Make-up gegen die Blässe seiner Haut, teure Parfüms, um seine Geruchlosigkeit zu überdecken. Der große bodenlange Spiegel war sicher hauptsächlich dafür gedacht, die Unwiderstehlichkeit seiner äußeren Erscheinung zu kontrollieren, bevor er auf die Jagd ging.
Das Wohnzimmer wurde häufig genutzt, wie einige aktuelle Zeitschriften auf dem Tisch belegten. Für einen Vampir fand ich die Einrichtung erstaunlich hell. Die Sitzgruppe war aus weißem Veloursleder, dazwischen ein schwarzer Marmortisch. Gegenüber nahm ein riesiger Fernseher fast die komplette Wand ein. Natürlich hatte er Satellitenanschluss und eine Dolby-Digital-Anlage. Im Hintergrund waren im Kamin sauber und ordentlich Holzscheite aufgestapelt. Die Feuerstelle selbst wurde von einer dicken Glasscheibe abgeschirmt. Daher gab es am gemauerten Schornstein und an der Decke auch keine schwarzen Rußspuren. Ein paar Bilder modernern Künstler schmückten die Wände, und in einer Ecke stand ein schwarzer Flügel, darauf eine Vase mit frischen Blumen, die einen berauschend süßen Duft verströmten. Der Boden und die Wände hatten eine silbergraue Musterung auf beigefarbenem Grund. Eine Schrankwand aus Mahagoniholz glänzte schwarz lackiert, voller Bücher. Alles in allem sehr geschmackvoll.
„Ich hoffe doch, du trinkst ein Glas Wein mit mir?“ Armand kam mit einer Flasche Bordeaux aus der Küche. Er holte zwei Gläser und füllte sie.
„Schon komisch. Bisher dachte ich immer,
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