Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
tun?“
„Ich habe die Liebe, das zu tun.“
Und so ging ich mit ihm. Ein weiterer Tag, an dem ich unerlaubt bei der Ashera fehlte. Doch ich wollte Franklin zumindest wissen lassen, dass ich wohlauf war. Als wir in London ankamen, blieb uns noch fast eine Stunde bis Sonnenaufgang. Ich wählte Franklins Privatnummer. Er hob schon nach dem ersten Läuten ab.
„Melissa? Wo bist du? Es wird schon bald hell!“
„Ich weiß. Ich wollte dir nur sagen, dass ich heute nicht zurückkomme. Ich werde erst nach Sonnenuntergang wieder bei euch sein.“
„Was soll das heißen, nach Sonnenuntergang? Wo seid ihr denn?“
Ich blickte zu Armand. Er schüttelte kaum merklich den Kopf. Nein, das durfte ich Franklin nicht sagen. Es war zu intim. Und es hätte ihn verrückt gemacht. Ich überlegte fieberhaft. Schließlich sagte ich: „Am anderen Ende der Welt, Franklin. Es wird gerade erst dunkel um uns herum. Ich bin morgen wieder da.“
Damit legte ich auf, noch ehe er weitere Fragen stellen konnte.
„Am anderen Ende der Welt?“ Armand zog amüsiert eine Braue hoch.
„Ich konnte so schnell nicht rechnen, wo jetzt gerade die Sonne untergeht. Hätte ich ihm ein Land genannt, in dem es heller Tag ist, hätte er sofort Lunte gerochen.“
„Da hast du vermutlich Recht, aber er wird auch so spüren, dass da was nicht stimmt.“
„Wird er sich denken können, dass ich … ?“ Ich brachte es einfach nicht über die Lippen.
„Dass du während meines Schlafes an meiner Seite liegst? J’espère que non! Ich hoffe nicht! Aber das glaube ich auch nicht. Der Gedanke ist zu schockierend, als dass er ihn in Erwägung ziehen würde. Da glaubt er bestimmt viel lieber deine Geschichte mit dem anderen Ende der Welt.“ Wir lachten beide, obwohl uns nicht danach zumute war. Es herrschte eine solche Anspannung zwischen uns, dass es weh tat. „Wollen wir jetzt nach unten gehen?“ Armand hielt mir seine Hand hin.
War ich mir im Klaren darüber, was ich hier tat? Vertraute ich ihm genug? Ich gestand mir ein, dass mein Vertrauen Grenzen hatte. Meine Liebe jedoch nicht. Ich traf meine Entscheidung und ergriff seine Hand.
Der Raum war dunkel und kalt. Ein antikes Bett aus schwarz lackiertem Eichenholz mit goldenen Beschlägen stand darin. Sehr edel und exquisit.
„Gar nicht so schlimm wie du dachtest, nicht wahr?” Nein, das war es wirklich nicht. Zumindest kein Sarg, dessen Deckel sich über mir schließen würde. Aber es war dennoch sehr beengt. Da musste ich wohl jetzt durch. Ich würde keinen Rückzieher machen. „Komm her zu mir!“
Ich kam seinen Worten nach und schmiegte mich an ihn. Seine Arme umfingen mich mit tröstlicher Zärtlichkeit. Ich hatte das Gefühl, ihm noch nie so nah gewesen zu sein. Nicht mal, wenn wir miteinander schliefen. Er küsste mich, und ich schmeckte Blut. Dankbar nahm ich es an. Als es schwer und süß durch meine Kehle rann und meinen Körper erfüllte, senkte sich Dunkelheit über meine Gedanken. Ich fiel in den gleichen traumlosen Schlaf, den Vampire schlafen. Tag für Tag, bis die neue Nacht sie ruft. Und ich fühlte mich sicher.
Armand war lange vor mir erwacht, aber er rührte sich nicht eher, bis ich die Augen aufschlug. Im ersten Moment überkam mich Panik. Die Kälte, die er ausstrahlte, verbrannte mich fast. Die Enge und die Dunkelheit der Kammer ließen klaustrophobische Gefühle in mir hochkommen. Ich stürzte förmlich davon. Ganz gleich, was er denken mochte, ich musste hier raus! Tastend suchte ich mir meinen Weg, bis ich vor der schweren Eisentür stand, die den Zugang zu seiner Schlafstatt für jeden Sterblichen versperrte. Zitternd presste ich mich an das kalte Metall. Gefangen. Ich war gefangen. Armands Schritte hinter mir hallten gespenstisch. Aber die Tür öffnete sich wie von Geisterhand, und ich stürmte nach oben in sein Wohnzimmer, kehrte in die Welt der Lebenden zurück.Armand folgte mir langsam. Ruhig und besonnen knipste er die Lichter an. Die Helligkeit brannte in meinen Augen, doch sie tat gut.
„Verzeih mir, aber ich dachte, es würde mich umbringen!“
„Da gibt es nichts zu verzeihen.“
Mein Herz pochte immer noch laut in meiner Brust. Armand hörte das, der Hunger in seinen Augen verriet es. Angst schnürte mir die Kehle zu.
„Würdest du wohl hier warten, bis ich dich zurückbringen kann?“, fragte er, immer noch ruhig, doch sichtlich angespannt. Wie musste mein Herzschlag auf ihn wirken? Wahrscheinlich so wie ein frischgebackenes Brötchen am frühen
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