Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
integriert haben.“
„’s kann aber kaum ein Volk gewesen sein, das sehr lange vor den Ägyptern existiert hat. Da war man mit dem Wissen um Kräuter und Anatomie noch nicht so weit.“
„Vampire gibt es seit vielen tausend Jahren, und wir wussten schon immer sehr genau über die Anatomie der Menschen Bescheid.“
Mit einem Aufschrei fuhren Andrea und ich herum. Wir hatten beide nicht gehört, dass Armand das Zimmer betreten hatte. Er saß auf dem Bett und beobachtete uns, wie wir in den Büchern und Schriften blätterten. Wie lange schon?
Sein Grinsen hatte etwas Verschlagenes. Es war ihm gelungen, uns zu erschrecken. In seinen Augen lag ein herausforderndes Funkeln. Und dahinter nacktes Verlangen. Es war mir in Andreas Gegenwart unangenehm, dass er mich so ansah. Ich versuchte, ihm dies in einer stummen Geste mitzuteilen, was er absichtlich übersah. Ich presste verärgert die Lippen zusammen, aber ich konnte ihm nicht böse sein. Dafür sah er zu unverschämt gut aus, in dem weinroten Rollkragenpullover und den hellblauen Jeans. Der Stoff schmiegte sich eng an seinen Körper, verriet mehr, als er verbarg. Meine Sehnsucht erwachte. Was er natürlich sofort erkannte. Ebenso, dass meine Wut nur gespielt war. Sein Lächeln wurde liebevoller. Versonnen stützte er sein Kinn auf einer Hand ab und schenkte mir seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
„Deine Theorie ist sehr interessant, ma chère.“
„Danke, aber es ist eben nur eine Theorie.“
„Vielleicht findest du ja irgendwann jemanden, der sie bestätigen oder widerlegen kann.“
„Kann ich mir kaum vorstellen. Der müsste ja uralt sein“, mischte Andrea sich ein.
„Ach, dann bin ich also auch uralt?“ Armand schmunzelte über die plötzliche Unsicherheit in ihrem Gesicht.
„Nein, ich meine, du … na ja … vielleicht.“
„Andrea meint sicher, dass es ein Unterschied ist, ob man von Jahrhunderten oder Jahrtausenden spricht.“ Ich hatte Mitleid mit ihr, weil Armand sie neckte.
„Und du denkst, es gibt keine Jahrtausende alten Vampire?“, sprach er sie wieder direkt an. Ich wusste nicht, ob ich über den Hauch von Arroganz in seiner Stimme lachen oder mich darüber ärgern sollte.
„Weiß nicht“, sagte sie kleinlaut.
Armand amüsierte sich auf Kosten meiner Freundin. Das fand ich gar nicht witzig. „Andrea, wir machen morgen weiter, okay?“
Wo waren jetzt ihr anzügliches Grinsen und ihre frechen Bemerkungen? Die Bewohner von Gorlem Manor kannten Armand und achteten ihn. Doch wenn er ihnen gegenüberstand, hatten sie entweder eine Heidenangst oder eine Wahnsinnsehrfurcht. Es war schon seltsam. Offenbar waren Franklin und ich die einzigen, die relativ normal und unbefangen mit ihm umgingen. Andrea konnte gar nicht schnell genug die Bücher zusammenpacken, uns eine gute Nacht wünschen und aus dem Zimmer flüchten. Armand lachte leise, als sie die Tür hinter sich zuwarf.
„Du hast ihr Angst gemacht!“, warf ich ihm vor.
„Ich habe sie beunruhigt. Das ist ein Unterschied.“
„Meinetwegen beunruhigt. Warum musst du dich auch immer so anschleichen?“
„Ich habe mich nicht angeschlichen. Ich bin ganz normal durchs Fenster gekommen.“ Ich warf ihm einen zweifelnden Blick zu, und er grinste mich an. „Aber es wäre doch nett, wenn du einen Vampir aus der Zeit vor dem ägyptischen Reich treffen würdest, oder?“
„Denkst du wirklich, dass es solche gibt?“
Er schien eine Weile nachzudenken, dann zuckte er die Achseln. „C’est possible. Möglicherweise.“
„Das hält doch keiner aus, ohne wahnsinnig zu werden.“
„Die stärksten schon“, gab Armand zurück und wurde heftig. „Auch ich bin zur Ewigkeit verdammt und habe nicht die Absicht, wahnsinnig zu werden oder den Freitod zu wählen.“
Ich senkte den Blick. Göttin, ich musste daran denken, die Dinge auch aus seiner Sicht zu betrachten. Für mich war das Leben ein überschaubarer Zeitraum. Für ihn keineswegs. Ich stand da und wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Aber wie immer beruhigte Armand sich schnell. Er atmete tief durch und sah mich dann wieder lächelnd an.
„Excuse-moi, s’il te plaît! Ich habe dich in den letzten Tagen vernachlässigt. Das möchte ich wieder gut machen.“
„Du bist jetzt hier. Das ist mir Wiedergutmachung genug.“
„Das reicht aber noch nicht.“
Seine Stimme war ein Flüstern, ich konnte ihn jedoch deutlich hören. Mehr in meinem Kopf als mit meinen Ohren. Ich entspannte mich und streckte ihm die Hände
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