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Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Carpenter
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Ein letztes Mal. Denn dass ich ihn vor meiner Abreise nicht mehr sehen würde, war mir bewusst. Meine Hände glitten unter seinen weichen Pullover. Er stöhnte leise. Sein Kuss brachte mir das Blut, das ich nun für lange Zeit entbehren musste.
    „Bleib bei mir“, flüsterte ich.
    Wir legten uns auf das Bett, Arm in Arm, lauschten dem Atem des anderen. Bis zum Morgen fanden wir Trost in dieser simplen, innigen Nähe.
    Franklin schaffte es, die Reise innerhalb von fünf Tagen zu arrangieren. Ich nahm alles wie durch einen dichten Nebel wahr. Es war mir gleichgültig. Ich fühlte mich so einsam wie nie zuvor. Armand kam nicht einmal, als ich abflog. Er ließ mich völlig in Ruhe. Ich hatte doch Abstand haben wollen, warum also machte es mir so viel aus?
    „Weil du ihn liebst“, sagte Osira sanft. „Und egal, was geschehen ist, diese Liebe ist nicht zu erschüttern.“
    „Wenn dem so wäre, würde ich hier bleiben und gemeinsam mit ihm gegen Lemain kämpfen.“
    „Das würde nichts nützen. Er muss sich seiner Vergangenheit stellen. Allein.“
    „Und dann wird alles wieder gut werden?“
    „Nein. Zuviel ist geschehen. Aber darüber solltest du jetzt nicht nachdenken. Es wird alles kommen, wie es kommen muss.“
    „Er fehlt mir, Osira.“
    „Du ihm auch“, ließ sie mich wissen, ehe sie wieder verschwand.
    Ich stieg ins Flugzeug und nahm meinen Platz ein. Ben hatte sich, wie alle anderen, schon in Gorlem Manor von mir verabschiedet. Franklin hatte mich allein zum Flugzeug gebracht. Unser Abschied war emotionslos. Er wünschte mir eine gute Reise. Ich wollte nur weg. So schnell wie möglich, weit weg von allem. Nach einer halben Stunde in der Luft, verblasste das Gefühl von Armands und Lemains Nähe langsam. Und mit jeder weiteren Minute spürte ich weniger davon. Als ich in Kairo aus dem Flugzeug stieg, wagte ich zum ersten Mal seit Frankreich wieder, frei zu atmen. Aber ich war unglücklich.
    Karim, der Vater des Mutterhauses Amun-Ra in Kairo, holte mich vom Flughafen ab. Er war in die typischen langen Gewänder der ägyptischen ‚Ureinwohner’ gekleidet. Seine Haut war dunkel und zeigte deutlich sein Alter von 67 Jahren. Aber er hatte ein freundliches Lächeln und offene, dunkle Augen. Ich hatte keine Probleme, ihm mein uneingeschränktes Vertrauen zu schenken. Für die nächsten Wochen würde er mein Vater sein.
    „Wir sind sehr froh, dich für eine Weile in unserer Mitte aufnehmen zu können, Melissa“, versicherte er mir auf dem Weg zum Mutterhaus, den wir in einem klapprigen alten Taxi zurücklegten, das nur noch vom Rost zusammengehalten wurde. Er sprach akzentfrei, da er viele Jahre in den Staaten gelebt hatte.
    „Hat Franklin schon etwas über den Grund meiner Reise erzählt?“
    „Nur, dass du selbst darum gebeten hast, weil du neue Erfahrungen sammeln möchtest. Und dass du im Ägyptischen Museum nach okkulten Artefakten suchen wirst.“
    Ach ja, der offizielle Grund meines Aufenthaltes, den Franklin kreiert hatte, um unnötige Fragen im Mutterhaus zu vermeiden. Mein Lächeln fiel bitterer aus als beabsichtigt.
    Das Mutterhaus in Kairo war nicht so komfortabel wie das in London. Es war nur mit dem Notwendigsten eingerichtet und bestand aus dickem Gestein, das die Hitze des Tages abhielt. Hier wurde keine Landwirtschaft betrieben. Was gebraucht wurde, kaufte man auf dem Markt. Dadurch fehlte oft das Geld, um Relikte oder Ausgrabungen zu finanzieren. Die wohlhabenderen Mutterhäuser halfen hier mit Barem. Aber die Anlage war sauber und gepflegt, und mein erstes Abendessen im Kreise der Kairoer Familie schmeckte wunderbar. Ich musste mich daran gewöhnen, dass hier niemand mit Messer und Gabel aß. Alles wurde mit den Finger genommen und in würzige Saucen und Pasten getunkt. Die Familie war verhältnismäßig klein. Nur etwa vierzig Personen bewohnten das Mutterhaus. Dafür war alles viel persönlicher. Jeder kannte jeden. Und zwar sehr gut. Nicht so oberflächlich, wie ich es von London her kannte. Ich fühlte mich wohl unter ihnen. So gar nicht als Fremde.
    Mein Zimmer war karg, aber zweckmäßig. Ein schmales Bett mit einem Moskitonetz darüber, zwei Schränke für meine Habseligkeiten und ein Schreibtisch. Computer gab es nur im Gemeinschaftsraum. Ich war froh, meinen Laptop mitgenommen zu haben. Dusche und WC befanden sich in einem kleinen Nebenraum. Der Boden und die Wände waren sauber verputzt, aber kahl. Ich würde mir kalte Füße holen, wenn ich wie in London barfuss durch mein

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