Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
Stücke reißen, wenn sie aus dem Gleichgewicht gerieten!“, rief ich aus.
„Das könnten sie. Und es ist auch schon geschehen. Menschen, die aus den falschen Gründen oder zur falschen Zeit hierher kamen. Dies ist kein Ort für schwarze Messen. Und an den Tagen der Toten sollte man ihm auch fernbleiben.“
Ich staunte wieder einmal, wie viel Armand wusste. Hatte er Teile seines Wissen auch von der Ashera? Oder eher die Ashera von ihm? Vermutlich beides, entschied ich. Ich breitete die Arme aus und drehte mich im Kreis. Die Energien streiften mich, streichelten meine Haut, drangen in mich ein, erklangen als Musik in meinen Ohren, waren ein lieblicher Duft in meiner Nase. Armand blieb in respektvollem Abstand stehen und sah mir zu, wie ich mit den Energien spielte, sie mit mir spielen ließ. Es fiel mir erstaunlich leicht, sie zu mir zu ziehen und zu verdichten oder sie von mir wegströmen zu lassen. Ein ewiges Auf und Ab, Kommen und Gehen. Und irgendwann hatte ich es geschafft. Die Energien wanden sich um mich herum, in einer perfekten Spirale, dem göttlichen Zeichen der Unendlichkeit. Ich streckte meine Arme zum Himmel hinauf und ließ die Spirale in ihren immer wiederkehrenden Schwingungen um mich herumfließen, ohne sie noch zu lenken. Als Armand meine Handgelenke ergriff, ließ ich mich gegen ihn sinken.
„Mein Engel“, hauchte er und legte seine Wange an meinen Kopf, den ich voller Liebe an seine Brust geschmiegt hatte.
„Kannst du sie sehen, Armand? Kannst du sehen, was ich aus den Energien erschaffen konnte?“
„Ich kann es fühlen, mon cœur.“
„Du weißt gar nicht, welches Geschenk du mir gemacht hast“, seufzte ich überglücklich. Zum ersten Mal seit meiner Heimkehr fühlte ich mich wieder frei.
„Das Geschenk habe ich mir selbst gemacht“, erwiderte er leise lachend und dann wieder ernst, aber unendlich zärtlich: „Wenn du nur glücklich bist, mon amour.“
„Das bin ich. So unbeschreiblich glücklich.“ Ich wiegte mich in seinen Armen hin und her, immer noch benommen von der Kraft der Energien. „Armand?“
„Ma chère?“
„Ich möchte tanzen. Bitte, tanz mit mir!“ Von irgendwoher kam Musik. Vielleicht aus meinem Inneren. Energie macht alles möglich. Magie kennt keine Grenzen. Und wir tanzten. Tanzten zu Walzerklängen. Rund und rund auf der Lichtung drehten wir uns, hielten uns fest und gehörten ganz und gar einander. Wenn es Glück gab, dann fühlte ich es dort, in seinen Armen, in jener Nacht. Mir wurde ganz schwindlig vom Tanz und von seiner Nähe. Als er seine Zähne in meinen Hals senkte, sog ich scharf die Luft ein vor Überraschung, ließ mich dann aber ergeben gegen ihn sinken. „O Armand“, flüsterte ich, und meine eigene Stimme klang fremd in meinen Ohren. Er zog mich auf den Waldboden, streifte unsere Kleider ab und war über mir, noch ehe ich einmal Atem holen konnte. Er liebte mich zärtlich. Zum ersten Mal seit D’Argent. Mit einer Rücksicht, die fast schmerzlich war, weil ich mich sosehr nach ihm sehnte. Seine Lippen hinterließen brennende Spuren auf meiner Haut. Die Kälte der Erde fühlte ich nicht. Ich sah die Sterne explodieren und in einem bunten Funkenregen zur Erde fallen. Mir war alles gleichgültig. Meine Vergangenheit, Margret Crest, die Ashera, Lemain, Osira, ja sogar meine Mutter. Ich wollte einfach nur hier bleiben. Mit Armand. In einer ewigen Nacht.
Doch diese ewige Nacht gab es nicht. Die Zeit holte uns ein, brachte uns zurück in die Wirklichkeit, und die Stunden bis Sonnenaufgang würden schnell vergehen. Wir lagen einander in den Armen, lange Zeit einfach nur schweigend, und hingen unseren Gedanken nach. Armands Stimme war nur ein Flüstern, als er sagte: „Ich wünschte, ich könnte immer bei dir sein. Ein gewöhnlicher Sterblicher, der dich liebt und der all deine Sorgen mit dir teilt.“
„Wünsche dir das nicht, Armand! Das sterbliche Leben … “
Ich hatte sagen wollen, es sei auch nicht immer das, was es für ihn wohl scheinen mochte, doch was sollte das? Er war selbst sterblich gewesen. Er wusste, was das sterbliche Leben bedeutete. Und seine Zeit war unangenehmer und unbequemer gewesen als die meine.
„Aber dann müsste ich dich nicht immer wieder allein lassen, wenn die Sonne aufgeht. Dann hättest du nicht diese Angst vor mir – vor dem, was ich tun könnte, wenn ich auch nur für einen Augenblick die Kontrolle verlöre. Dann wäre das mit Lemain nie passiert. Und dann wäre Franklin nicht gegen unsere
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