Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
Orleans privaten Kontakt. Franklin bat uns lediglich, Acht zu geben, dass auch keiner der hier lebenden Vampire in deine Nähe kommt.“
„Dann wisst ihr also, was in der Camargue vorgefallen ist.“
„Nur bruchstückhaft. Aber wir wissen genug, um die Orte zu meiden, an denen du anderen begegnen könntest.“
„Ich will ihnen aber gar nicht fern bleiben“, erwiderte ich sauer. „Und du kannst Franklin heute Abend, wenn du deinen Tagesbericht über mich abgibst, mitteilen, dass ich verdammt noch mal kein Kindermädchen brauche.“
Damit ließ ich den armen Karim einfach stehen und floh förmlich in Richtung Basar. Menschenmassen – Einheimische, die ihre täglichen Einkäufe tätigten und Touristen, die Souvenirs kaufen wollten. Es wurde gehandelt, gefeilscht. Stimmen wurden lauter und wieder leiser. Hier war das Handeln erwünscht. So wütend, wie sich mancher Händler auch über ein scheinbar zu niedriges Gebot äußerte, nach einem Abschluss waren alle wieder Freunde, und es gab einen kostenlosen Feigenschnaps dazu. Ich mischte mich unter das Volk, ließ mir an einem Stand ein paar Feigen anbieten und genoss den Duft der Kräuter und Tees, die über den Platz schwebten. An einer Stelle waren die Gerüche so intensiv, dass mir schwindlig wurde. Ich lief in die entgegengesetzte Richtung und setzte mich in den Schatten einer Sykomore, als die Luft um mich herum wieder frischer wurde.
„Du wollen Zukunft wissen?“, fragte mich plötzlich eine Stimme von der Seite. Ich blickte auf und sah einer alten, runzligen Frau ins Gesicht. „Du wollen Zukunft wissen?“, fragte sie noch einmal. Irritiert schüttelte ich den Kopf. „Es dich nichts kosten. Ich dir sagen. Du sein Geliebte der Göttin. Ich das fühlen. Also ich dir sagen Zukunft. Das mir bringen Glück.“ Ich verstand noch immer nicht ganz, was sie meinte, doch ich zog meine Hand nicht zurück, als sie sie ergriff und sich tief darüber beugte. Wenn sie unbedingt irgendwelchen Unsinn über meine Lebens- und Liebeslinien von sich geben wollte, bitteschön. Ich musste es ja nicht glauben. Doch die Alte schüttelte den Kopf, ließ meine Hand wieder los, umfasste statt dessen mein Gesicht mit ihren dürren knochigen Fingern. Ihre schwarzen Augen blickten fest in die meinen. Ich spürte, wie etwas in mir aufbrach. „Du sehr großes Leid erfahren. Noch nicht lange her. Und noch größeres Leid, das sehr, sehr lange her. Du hier, weil Wunden nicht heilen wollen. Doch werden auch nicht heilen hier. Werden noch bluten, wenn du wieder gehen zurück.“ Plötzlich verfinsterte sich ihr Blick. „Noch mehr leiden, Geliebte der Göttin. Viel Schmerz und viel Leid. Und böse Frau sprechen bösen Zauber.“
Ich lächelte nervös, und mir wurde unwohl zumute, wie sie mich so anblickte. Sagten diese Jahrmarkts-Wahrsagerinnen denn nicht immer nur Positives voraus? Diese hier hatte davon noch nichts gehört. Ich bekam eine Gänsehaut. Mir wurde angst und bange. „Nein, du dich nicht fürchten. Sehr stark sein. Und da ist sanfter Geist. Zwei sanfte Geister. Dich lieben und schützen. Werden da sein, wenn böser Zauber kommt.“ Sie kramte in ihrem Umhang und zog ein silbernes Ankh an einer schweren Silberkette hervor, das sie mir um den Hals legte. An der Stelle, wo sich Bogen und Querbalken berührten, saß ein kleiner Smaragd, der in der Sonne funkelte. „Wird dich schützen, wenn der böse Zauber kommt. Geist wird finden Ankh und wird dich schützen.“ Damit küsste sie mich auf die Stirn und sah mich noch ein letztes Mal kopfschüttelnd an. „So viel Leid für so wenig Leben.“
Dann war die Alte in der dichten Menschenmenge verschwunden, Ich blieb allein zurück, blickte benommen auf das Ankh. Eine feine Silberarbeit mit einem dunkelgrünen Smaragd am Kreuzpunkt. So grün wie meine Augen. Wie Lemains Augen. Es war heiß auf dem Basar, wo sich die Menschen drängten. Doch ich fror entsetzlich, und mir war schlecht. Wo war nur Karim? Allein suchte ich mir meinen Weg zurück zum Mutterhaus. Karim war bereits dort und erwartete mich. Aber als er mich sah, machte er mir keine Vorhaltungen. Ich musste noch schlimmer aussehen, als ich mich fühlte. Offenbar stand mir der Schrecken deutlich ins Gesicht geschrieben. Er trat zur Seite und ließ mich wortlos auf mein Zimmer gehen. Wir sprachen nie über das, was auf dem Basar vorgefallen war.
Alte Leidenschaften
Melissa war erst seit einigen Tagen fort und Armand hatte seitdem nichts anderes getan, als ruhelos
Weitere Kostenlose Bücher