Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
entwenden könnten, klingelte mein Handy. Auf dem Display stand der Name meines Vaters. Würde diese Nacht denn nur Probleme für mich bringen? Genervt nahm ich den Anruf an.
„Franklin, das ist jetzt ein ganz schlechter Zeitpunkt. Mir ist da ein Missgeschick passiert, dass ich dringend wieder ...“
„Mel, keine Diskussion. Du musst sofort nach Hause kommen. Dein kleines Privat-Experiment muss warten.“ Ich grummelte in mich hinein. Nein, das konnte eigentlich nicht warten. Aber das konnte ich ihm ja schlecht sagen, wenn ich die Fakten erst mal noch für mich behalten wollte. „In Peru verwandeln sich Flüsse in Blut.“
Mit lautem Krachen fiel mein Handy zu Boden, wo es in tausend Teile zersplitterte. Blutige Flüsse. Mein Traum begann schreckliche Wirklichkeit zu werden.
„Mel! Um Himmels Willen du bist ja noch blasser als sonst. Was war das denn für ein Anruf?“
„Das war mein Vater. Ich muss sofort zurück nach London. Er hat einen Auftrag für mich, der nicht warten kann.“ Stöhnend rieb ich mir übers Gesicht. „Das wird mir jetzt alles zuviel. Große Göttin, lass es bitte etwas anderes sein.“
Natürlich verstand Pettra nichts von dem, was ich von mir gab. Aber das spielte auch keine Rolle. Sie wollte sich allein auf die Suche nach dem Täter machen. Sobald ich meinen Auftrag für den Orden erledigt hatte, sollte ich nachkommen.
Mit kaltem Grauen im Nacken machte ich mich auf den Weg nach London. Die restlichen Phiolen im Gepäck. Ich würde sie keine Sekunde mehr aus den Augen lassen.
Die Tränen eines Engels
Franklin breitete eine Karte auf dem Tisch aus. Ich nahm auf dem Sofa Platz und sah sie mir an. Eine Karte der Anden. Franklin umschrieb einen Kreis darauf, nahe der Inka-Stadt Machu Picchu, jedenfalls glaubte ich, dass es in der Nähe war. Geografie war nie meine Stärke gewesen.
„Die Bäche und Flüsse im Umkreis von rund achtzig Kilometern haben sich rot gefärbt. Vor allem der Rio Madre de Dios und der Rio Ucayali. Nach den ersten Untersuchungen handelt es sich dabei tatsächlich um Blut.“
„Wie passend, einen Vampir dorthin zu schicken, wo sich Wasser in Blut verwandelt.“
„Melissa“, sagte er streng, „du bist Ordensmitglied. Und du hast deine Aufgaben zu erfüllen. Du bist zu gut in Außeneinsätzen, als dass ich dich hier in der Zentrale behalten könnte. Dass du dich unbedingt in einen Vampir verwandeln lassen musstest, ist dein Problem. Ich erwarte, dass das keine Auswirkungen auf deine Arbeit hat.“
„Hatte es das denn bisher?“ Meine Laune befand sich auf einem Tiefpunkt, da war seine Moralpredigt das Letzte, was ich brauchte.
„Von mir aus kannst du die Flüsse leer trinken, kannst darin baden. Das ist mir alles gleich. Nur finde heraus, was da passiert ist und wie man es rückgängig machen kann.“
Ich stand am Ufer des Rio Madre de Dios, zwischen hohen Gräsern gut getarnt. Die Nacht war erfüllt von den Liedern seltener Insekten, den Geräuschen kleiner Raubtiere auf der Jagd. Luna, zwei Tage nach Neumond nur eine schmale Sichel, hatte sich eine Wolke vors Gesicht gezogen. Ich hätte es ihr liebend gern gleich getan, wenn mir damit weiterer Ärger erspart bliebe. Ein schwacher Wind wehte über das Wasser, trieb mir den schweren, würzigen Duft in die Nase, der mir fast den Atem raubte. Blut! Dunkles, warmes, pulsierendes Blut. Es lebte. Es war lebendiger als in jedem der Menschen, die dort drüben am Ufer in ihren Hütten schliefen und nichts von meiner Gegenwart ahnten. Etwas blutete. Aber was? Und warum? Ich konnte nicht widerstehen, mich hinzuknien, die Hand auszustrecken und etwas von dem Blutwasser zu schöpfen. Süß und bitter. Eine Mischung aus Eisen und Kupfer. Es rann meine Kehle hinab und erfüllte mich so stark, dass mir einen Moment schwindlig wurde. Etwas Vertrautes schwang darin mit. Vampirisch. Vampirblut, ausgerechnet in einem Fluss, der den Namen ‚Mutter Gottes’ trug. Wie blasphemisch und grotesk. Doch wie viele meiner Art mussten wohl ihr Blut lassen, um ganze Flüsse damit zu verwandeln? Nein, das war unwahrscheinlich. Ich ließ mich zu sehr von meinen Vermutungen, meinen Befürchtungen leiten.
„Kroah, Kroah“, rief es über mir. Gleich darauf glitt die Krähe über meinen Kopf hinweg. Sie folgte dem Lauf des Wassers flussaufwärts. Auf diesem Wege musste man früher oder später seine Quelle finden. Dort oder auch schon irgendwo auf dem Weg dorthin, lag die Erklärung, die ich suchte.
Der Weg führte in die
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