Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
beseelt. Daran konnte ich nichts Gutes finden. Wieder blickte ich zu dem Engel, dessen Schluchzen nun noch herzzerreißender wurde. Das konnte doch nicht sein. Dracon hatte einen Engel Blut trinken lassen. Große Göttin, was hatte er vor?
„Durch Nebelwald den Bergen hinauf, verfolgt des Goldes geheimen Lauf, ein schmaler Grat führt wohl bedacht, zum ersten Engel der Ewigen Nacht.“
Ich konnte mit diesem Zitat nicht das Geringste anfangen. Er quittierte meine Unwissenheit mit einem Lächeln.
„An Orten wie diesem, Babe, entspringen alle Meere dieser Welt“, flüsterte er. „Sieben Orte gibt es. Für sieben Meere. Und weißt du, woraus sie entspringen? Aus den Tränen der Engel.“ Er klang fast einschmeichelnd und für einen Moment hatte ich tatsächlich das Gefühl, mir würden die Sinne schwinden. „Ich kenne diese Legende schon so lange. Ich musste nur Geduld haben und warten.“
„Warten? Worauf?“
„Auf dich, mein Herzchen. Auf dein unglaubliches Geschick, ein Serum zu entwickeln, das mir Zutritt zu den Engeln verleiht. Und wer hätte das gedacht, nun gehören auch bald die Engel in unsere Reihen.“
Meine Gedanken überschlugen sich. Mein Serum hatte ihm Zutritt verschafft? Wie? Der Traum von den blutigen Flüssen stieg in mir empor. Schuldig! Die Engel mit roten Tränen und die Menschen, die vor der Finsternis keine Zuflucht mehr fanden. Alle wiesen mit dem Finger auf mich. Schuldig! Mir sackten die Knie ein, aber mein dämonischer Held war ja zur Stelle, um mich aufzufangen. Jetzt küsste er mich tatsächlich leidenschaftlich. Gab mir sein mit dem Serum durchtränktes Blut.
Als ich wieder halbwegs bei Sinnen war, versuchte ich angewidert, mich von ihm zu befreien. „Was hast du getan? Wie konntest du einen solchen Frevel begehen und einen Engel verwandeln? Dracon!“
„Ihr wollt doch immer forschen“, fauchte er und stieß mich grob von sich, weil er offenbar beleidigt war, dass ich sein kleines, verdorbenes Experiment nicht ausreichend würdigte. „Ist es vielleicht nicht gut genug, nur weil es kein Mitglied eurer ehrenvollen Gemeinschaft war, das diese Idee hatte?“
Ich suchte immer noch nach Worten, doch bevor ich sie fand, ließ Dracon mich einfach stehen. Enttäuscht und gekränkt und mit noch mehr Hass im Herzen als je zuvor. Er fühlte sich übermächtig. War erbost, dass man seine Allmacht nicht gebührend zur Kenntnis nahm. Ich schloss die Augen. Oh meine Göttin. Wohin sollte das noch führen? Und ich hatte ihm gegenüber gestanden und hatte ihn weder festgehalten, noch ihm das Serum entwendet. Falls er es überhaupt bei sich trug.
Ich sank zu Boden, weinte blutige Tränen. Ein paar Tropfen mehr in den Flüssen und Meeren dieser Welt. Was machte das schon?
„Gräme dich nicht“, sprach mich der Engel plötzlich an. Mit einer Stimme aus Seide und Honig.
„Mich nicht grämen? Sieh, was er dir angetan hat. Und da soll ich mich nicht grämen? Das Serum hat er von mir.“
Er schüttelte den Kopf. „Meine Zeit hier ist bald um. Dann werden die Wasser wieder reingewaschen. Mit den Tränen eines anderen Engels. Mein Missgeschick ... nun, es wird wieder gerichtet, sei gewiss. Es wird keinerlei Folgen haben. Er kann ja nicht alle Engel verwandeln.“
„Und warum weinst du dann so bitterlich?“
Er lächelte. „Weil es meine Aufgabe ist, zu weinen. Die Weltmeere.“
Ja richtig, die Weltmeere. Ich konnte es einfach immer noch nicht fassen, was hier geschehen war. Folglich war meine Logik stark eingeschränkt.
„Die Meere werden bald wieder rein sein. Du musst dich um ihn kümmern. Und um seine Seele.“
Ich hätte am liebsten laut aufgelacht. Um Dracon musste ich mich kümmern, ja, damit er nicht noch mehr Schaden anrichtete. Ich musste ihn finden, ehe er weitere Engel in Vampire verwandelte und dieser immer wiederkehrende Alptraum zur grausigen Realität wurde. Aber seine Seele? Die war verloren. Und meine ebenso.
Er strich mir liebevoll über die Wange. Seine Haut fühlte sich an wie Samt. Warm und glatt und weich.
„Entschuldige mich nun bitte. Es wird Zeit für meine Ruhe. Ich sollte seit Stunden in der Krypta sein. Doch er ließ mich nicht gehen. Er wusste, du würdest kommen. Er wollte, dass du mich siehst.“
Ich verstand. Ein bitterer Schmerz breitete sich in meiner Brust aus. Dracon liebte mich. Auf seine Weise. Ich hatte es gespürt, als er mich vorhin in den Armen hielt. Er wollte, dass ich teilhatte an dem was er tat.
Eine Bewegung hinter mir zog sowohl
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