Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
mich umdrehen musste.
Dracon!
Mein erster Reflex war Flucht. Doch ich kam nur zwei Schritte weit, ehe mich seine Arme wie ein Schraubstock umklammerten.
„Scht!“, machte er. „Du wirst doch nicht schon wieder vor mir weglaufen wollen? Ich war untröstlich, als du mich in New Orleans so einfach verlassen hast.“
Angst schnürte mir die Kehle zu und verwandelte mein Blut in Eis. Mein Herz raste, doch der Rest meines Körpers war wie gelähmt vor Entsetzen. Mein Peiniger. Die Bilder aus New Orleans rollten wie eine verheerende Flutwelle über mich hinweg. All die Schläge, die Schmerzen, sein höhnisches Lachen. Aber auch seine Küsse, seine Begierde und der Geschmack des süßen mächtigen Blutes. Göttin, der alte Feind, von dem Camille in ihrem Brief gesprochen hatte, war gar nicht Crest, sondern er.
„Du hast dich verändert, Babe. So wunderbar verändert. Jetzt bist du eine von uns. Das macht dich noch begehrenswerter. Weißt du eigentlich, wie lange ich dir schon auf der Spur bin?“ Er rieb seine Nase an meinem Hals, an der empfindsamen Stelle hinter meinem Ohrläppchen. Sein Atem strich erstaunlich warm über meine Haut, ließ mich erschauern, genau wie beim ersten Mal. „Wie viel Mühe ich mir gegeben habe, dir zu beweisen, dass ich nicht so schlecht bin, wie du glaubst? Sogar diesen Kannibalen habe ich dir auf dem Silbertablett serviert.“
Ich zuckte zusammen wie unter einem Schlag. Andreas Vorwurf einer Falle, Luciens zweifelnde Worte, das Gefühl im Wald, beobachtet zu werden, all das stürzte wieder auf mich ein. Ein Puzzlestück fügte sich in das andere. Er hatte mich verfolgt, war die ganze Zeit in meiner Nähe gewesen. Große Göttin, was er hätte tun können... mir wurde übel. Aber er hatte es nicht getan. Das war die andere Seite.
Dracon las meine Gedanken und lächelnd zog er mich fester in seine Umarmung. Ich spürte seinen gestählten Körper in meinem Rücken überdeutlich mit jeder Faser meines Seins. Wie er sich an mich schmiegte, so vollkommen und perfekt. Genauso wie die Schlangentattoos auf seiner Haut, die sich um seine starken, muskulösen Arme wanden und deren Körper ich auf meiner nackten Haut zu spüren geglaubt hatte, als er mich damals in seine Gewalt gebracht und mich mit seiner Leidenschaft gequält hatte. Auch jetzt spürte ich sein Begehren. Anders diesmal, nicht niederträchtig und von Hass durchtränkt, aber ebenso stark und unerbittlich.
„Ich muss dich auch tadeln, Honey. Zwei ganze Tage. Das ist viel zu langsam, wenn du mit mir mithalten willst. Aber ich will mal nicht so sein, schließlich musstest du dich ja nach der Darkzone richten.“
Ich schluckte hart. Seine Worte ließen eine schrecklich böse Ahnung in mir aufkommen.
„Er ist so schön, dass man ihn einfach küssen möchte, nicht wahr?“, fragte er mich, auf den Engel deutend. Die Sanftmut in seiner Stimme passte so gar nicht zu dem Bild, das ich noch von ihm hatte. „Ich konnte auch nicht widerstehen. Nie hätte ich gedacht, dass sie wirklich so schön sind, diese Engel.“
Jetzt drehte er mich in seiner Umarmung um, damit ich ihn ansah. Zärtlich streichelte er meine Wange. Er hatte sich verändert. Sah jetzt noch besser und unwiderstehlicher aus als damals. Sein milchkaffeefarbener Teint schimmerte nun wie matte Bronze. Und als ich meine Hand hob, um diese weiche von der Sonne gezeichnete Haut zu berühren, wurde die Ahnung zur grausigen Gewissheit und mir schlagartig klar, wer der Dieb des Serums war. Der Bann verlor seine Wirkung und ich hatte die Szene in New York wieder klar vor Augen, wo er in der Seitengasse auf mich gelauert hatte. Ich zog meine Finger zurück, als hätte ich mich verbrannt.
Sanft fasste er mein Kinn, neigte sein Gesicht ganz nah an das meine, so als wolle er mich im nächsten Moment küssen. „Engelchen, dein grandioses Elixier wirkt. Sieh mich an. Es ist unglaublich. Übrigens kannst du deine Spritzen und Nadeln in den Müll werfen. Es reicht, wenn du es trinkst. Unser vampirischer Körper transformiert es sofort.“
Gut, das zu wissen. Es wäre mir lieber gewesen, wenn solch eine neue Erkenntnis nicht ausgerechnet von ihm gekommen wäre.
„Wenn es so etwas Wunderbares mit den dunkelsten aller Geschöpfe vollbringen kann, lag die Frage doch nah, was wohl mit den gütigsten, unschuldigsten Geschöpfen geschehen würde, wenn sie damit in Berührung kämen. Na, bist du stolz auf mein kleines Experiment?“
Mir wurde schlecht. Dracon schien von Forscherdrang
Weitere Kostenlose Bücher