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Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)

Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Carpenter
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Berge hinauf, das satte, fruchtbare Grün verwandelte sich in die spärliche Vegetation felsiger Regionen, und schließlich setzte ich meinen Fuß auf den ersten Schnee. Hier oben bildete mein Atem kleine Dampfwölkchen und der Strom verlangsamte sich, bildete an den Rändern kleine Eiskrusten.
    Dann fand ich die Stelle, wo das Wasser dem Gestein entsprang.
    Ein Felsspalt. Gerade groß genug, dass ich mich hindurchzwängen konnte. Dahinter wäre ich um ein Haar ins Bodenlose gefallen. Es gelang mir, mich an einer Felskante festzuhalten. Ich schürfte mir nur die Finger auf und stieß mir schmerzhaft die Knie an dem Stein. Das Wasser konnte doch nicht aus dem Nirgendwo durch die Spalte fließen. Einen Augenblick wartete ich, damit sich meine übernatürlichen Augen an die Finsternis gewöhnten. Nach und nach erkannte ich einen gähnenden Abgrund unter mir, der lediglich von einem schmalen Felskamm durchtrennt wurde, dessen Fuß irgendwo tief da unten in der Schwärze liegen musste. Wie tief wollte ich lieber gar nicht wissen. Es reizte mich nicht, hinabzusinken, um mich dort umzusehen. Im Gegenteil. Der Gedanke, was oder wer da unten womöglich auf mich lauern könnte, dämpfte meine Abenteuerlust erheblich.
    Dieser Felskamm glich hier oben einer Art breiter Rinne, in der das Wasser dahinplätscherte. Franklin hatte extra betont, ich könne seinetwegen auch darin baden. Also setzte ich mutig einen Fuß in den Kanal. Es war glitschig, aber ich schaffte es, mich auszubalancieren. Immer vorsichtig einen Schritt vor den anderen wanderte ich den Kamm entlang auf ein schwaches Licht am anderen Ende dieser Höhle zu. Ich merkte, wie es immer kälter wurde, je näher ich diesem zweiten Ausgang kam.
    Ein Rundbogen führte in eine zweite Höhle. Diesmal mit festem Boden, wie ich erfreut feststellte. Die Felsrinne wurde breiter. Ein unterirdischer Fluss in einem Flussbett aus Eis.
    Auch von der Decke hingen Eiskristalle und alles schimmerte unirdisch in der vibrierenden Kälte. Der Fluss war hier träge, an den Rändern hatten sich Krusten gebildet. Blutrote Krusten, in denen sich das Licht tausendfach brach. Ein merkwürdiger Anblick. Inzwischen war es so kalt, dass ich kaum atmen konnte. Die Luft klirrte.
    Da war ein hoher sirrender Ton. Je weiter ich in die Höhle vordrang, desto lauter wurde er. Nicht unangenehm, nur allgegenwärtig und glockenhell. Meine Füße hinterließen Spuren in immer tiefer werdendem Schnee.
    Schnee? Im Inneren einer Höhle? Aus welchen Wolken sollte der gefallen sein? Ich ging um eine letzte Biegung. Der Strom erstarrte hier fast. Die Ränder froren immer enger beisammen. Aus dem Fluss wurde ein Bach, aus dem Bach ein Rinnsal. Und dieses entsprang aus einem kleinen See, der ebenfalls dunkelrot in einem Becken aus Eis ruhte.
    Am Rande des Sees saß ein Engel auf einem Stein. Er weinte. Blutrote Tränen, die zu seinen Füßen den See bildeten, aus dem der gefrierende Fluss entsprang, der in die Gewässer des ganzen Landes mündete, sie speiste und zu Blut verwandelte. Ich hatte die Quelle gefunden. In dem Engel aus meinem Traum.
    Goldstaub glitzerte auf seinem bleichen Antlitz. Seine mächtigen Schwingen erschienen mir zunächst aus schwarzem Gefieder, doch nein, sie waren golden. Wunderschön und wie aus Gold gegossen. Aber jetzt mit Blut besudelt, so dass sie schwarz wirkten. Das Blut durchtränkte auch sein weißes Gewand, ließ sein blondes Haar in feuchten, rotverklebten Strähnen in sein Gesicht fallen, welches – einst sicher wunderschön – qualvoll verzerrt und mit dunklen Schlieren überzogen war. Er hatte die Hände aneinandergelegt und seine Finger gegen die Stirn gepresst. Unaufhörlich floss das dünne Rinnsal von Bluttränen aus seinen Augen. Der Stein auf dem er saß schimmerte dunkel und feucht. Alles in allem ein Bild des Jammers.
    Ich betrachtete den Engel eine Weile. Und dann tat ich etwas, für eine Hexe, noch dazu als Vampir, Ungewöhnliches. Ich bekreuzigte mich.
    Der Engel bemerkte meine Gegenwart. Er ließ seine Hände sinken und hob den Blick. Verwundert, aber ohne Arg. Wunderschöne goldfarbene Augen mit eisblauen Sprenkeln darin. Seine Lippen waren leicht geöffnet. Zu schön für einen Engel. Geschaffen, um geküsst zu werden.
    Ich hörte sich nähernde Schritte, bevor meine übrigen vampirischen Sinne die Präsenz eines weiteren Wesens wahrnahmen. Das Knirschen von Stiefeln in hartgefrorenem Schnee. Als sich das Geschöpf weiter näherte, erkannte ich es, ohne dass ich

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