Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
Geste, uns zu folgen.
„Keine Angst,
elby
. Ich werde dir deine erste Gefährtin nicht nehmen“, sagte Lucien. Und dann in Gedanken, die nur ich auffangen konnte: „Doch sei gewarnt, sie ist nicht stark genug. Sie wird Probleme bekommen und die könnten ihr Verderben sein. Gib auf sie acht, wenn du sie nicht verlieren willst. Oder binde dich erst gar nicht an sie.“
Erschrocken blickte ich ihn an. Nun ja, man würde ja sehen.
Der Lord zeigte sich großzügig, indem er meine Tochter trinken ließ, ehe er ihr ein Quartier im unterirdischen Labyrinth zuwies. Sie müsse jetzt schlafen. Um Kraft zu sammeln. Er ließ sie in den Nebelschlaf fallen, damit wir ungestört reden konnten.
Als wir allein im Thronsaal waren, gestand auch ich mir die Schwäche zu, die an mir zerrte und nahm dankbar den kleinen Trunk von Lucien, den er mir bot.
„Melissa, ich fürchte, du hast keine gute Wahl getroffen“, sagte er, als ich wieder sicher auf meinen eigenen Beinen stand.
„Wegen des Zeitpunktes?“, fragte ich hoffnungsvoll.
Er lachte freudlos. „Das auch. Aber ich meine etwas anderes. Manchmal erschaffen wir uns Gefährten, die uns mehr Leid als Freude bringen.“
„So wie Dracon dir?“
Er lächelte und nahm mir meine Anspielung nicht übel. Er konnte nichts für das Desaster, das sein Dunkler Sohn gerade in der Welt anrichtete. Ebenso wenig wie für das Chaos, das er in meinem Herzen zurückgelassen hatte.
„Ja, so ungefähr.“
„Du denkst, sie ist nicht stark genug. Du meinst, ich hätte falsch gehandelt.“
„Nein, Mel, du hast nicht falsch gehandelt. Etwas voreilig vielleicht. Aufgrund deiner Unerfahrenheit. So etwas geschieht. Aber ich wollte, dass du vorbereitet bist, falls sie dich verlässt oder stirbt. Wenn man vorbereitet ist, tut es weniger weh.“
„Ich hätte es wohl einfach nicht tun sollen. Ich hab noch zu wenig Erfahrung in diesen Dingen. Das war leichtsinnig. Verzeih mir.“
„Wofür verzeihen? Dass du sie so sehr begehrt hast, dass du sie unbedingt haben wolltest? Das ist völlig normal. Ich habe viele erschaffen, die ich besser getötet hätte. Es hat nicht jeder die Kraft dazu, unsterblich zu werden. Viele werden zum Vampir gemacht, obwohl von Anfang an klar ist, dass sie zu schwach sind.“
„Was passiert mit ihnen?“
„
Hom sawfa ya moton
. Sie sterben. Irgendwann. Bei der Wandlung oder wenige Jahre später.“
„Durch den Wahnsinn?“
„Ein paar durch den Wahnsinn. Andere, weil sie unvorsichtig sind. Wieder andere, weil sie die dunkle Trauer in unserer Seele nicht ertragen oder das beständige Töten. Manche fallen anderen unserer Art zum Opfer oder anderen Wesen aus der Schattenwelt. Und einige wenige schließlich auch den Menschen.“
Er lachte leise und es klang nach bitterer Ironie. „Ich finde es schon sehr merkwürdig, wenn man uns unsterblich nennt. Das sind wir ganz sicher nicht. Es gibt tausend Arten für uns, zu sterben. Und nur die wenigsten gehen nicht an einer dieser vielen Arten zugrunde. Unsterblich? Nein, bestenfalls extrem langlebig, wenn wir genug Glück haben und vorsichtig sind.“
„Franklin ist auch nicht gerade sehr begeistert. Dabei weiß er es noch nicht einmal genau.“
„Wen interessiert schon seine Meinung. Er wird deine neue Natur nie verstehen, so lange er ein Mensch ist.“
„Er hat aber Recht“, gestand ich seufzend ein. „Es ist ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt.“
Lucien tat es gleichgültig ab. „Wenn es geschieht, ist es auch der Zeitpunkt dafür. Man sucht nicht danach. Vertraue deinen Instinkten.“
Ich schaute ihn zweifelnd an. „Du bist aber auch nicht der Meinung, dass ich eine gute Wahl getroffen habe.“
„Ah,
thalabi
. Du lässt dich zu leicht verunsichern“, gab er amüsiert zurück.
Ich konnte daran nichts Komisches finden. Im Moment hatten wir alle wirklich genügend andere Sorgen. Ich musste Dracon aufhalten. Und Ivanka würde dabei mehr als nur hinderlich sein. Mein Vater hatte Recht, Osira hatte Recht. Und Lucien vermutlich auch, dass mein erstes Dunkles Kind nicht tauglich war für die Ewigkeit.
„Ich kann sie nicht mitnehmen, wenn ich Dracon jage.“
Er wurde wieder ernst. „
Ana afham
. Ich verstehe. Aber das ist kein Problem. Du kannst deine Kleine hier bei mir lassen.“
„Nein!“
Ich hatte nicht so heftig reagieren wollen, doch das Wort war über meine Lippen, ehe ich es hätte verhindern können. Lucien verzog den Mund. Er verstand ganz genau, was mir durch den Kopf ging. Die Angst, dass
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