Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
sie strömte, um sie für immer an mich zu binden. Mein Herz raste, aber ich wollte mehr von diesem Schmerz. Obwohl er mir allmählich die Sinne raubte. Ihr Saugen war gierig. Ich wusste, ich musste dem rechtzeitig Einhalt gebieten, damit es mich nicht zu sehr schwächte, auch wenn mir das unendlich schwer fiel. Erst als mein Herz zu flattern anfing, entriss ich ihr mein Handgelenk. Gerade noch rechtzeitig, wie mir klar wurde.
Ich wollte mich um sie kümmern, als sie sich schreiend vor Schmerzen am Boden wand. Aber ich war zu schwach, noch zu benommen. In meiner Unerfahrenheit hatte ich sie zuviel trinken lassen und brauchte eine Weile, bis das dunkle Blut mich wieder regenerierte. Also blieb mir nichts anderes übrig, als sie der Agonie der Wandlung zu überlassen und zu hoffen, dass sie es gut überstand.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, in der ich matt und reglos dalag. Ihre Schreie und ihr Wimmern schmerzten mich tief und schließlich gelang es mir, zu ihr hinüberzukriechen und sie auf meinen Schoß zu ziehen. Ich hielt ihren sterbenden Körper in den Armen, wiegte sie wie ein Kind, so wie Armand es einst bei mir getan hatte, und langsam wurde sie ruhiger. Erst als der Schmerz vorüber war, öffnete sie wieder die Augen. Ihr Blick war klar, aber noch immer schimmerte eine Spur Angst darin.
„Was … was hast du … mit mir gemacht? Bin ich jetzt im Himmel oder in der Hölle?“
Ich lachte leise und streichelte ihr sanft übers Haar. „Weder noch. Du bist noch immer auf der Erde. Aber du bist nicht mehr dieselbe wie heute Morgen. Du bist jetzt unsterblich. Wie ich. Ich habe dir das Geschenk der Finsternis gegeben, mein Schatz. Du bist jetzt ein Vampir.“
Mit großen Augen schaute sie mich an, schrak aber nicht zurück. Meine Lebenskraft kehrte allmählich zurück. Ich wusste, sie musste noch einmal trinken heute Nacht, dasselbe galt auch für mich. Mühsam kam ich auf die Beine, schwankte einen Moment und zu meinem Erstaunen stützte sie mich. Sie brauchte stärkeres Blut als das meine. Ich konnte sie unmöglich noch einmal trinken lassen. Ich brauchte meine Kräfte. Zum Glück war Miami nicht weit. Und hatte sie nicht ohnehin gesagt, sie wolle nach Florida?
„Melissa, mein Liebling“, begrüßte mich Lucien und nahm mich in die Arme, bevor er mich auf die linke Wange küsste. Dann erst blickte er neugierig meine Begleitung an.
„Du hast eine Freundin mitgebracht?“
„Ivanka. Meine Tochter.“
Er hob eine fein geschwungene Augenbraue und blickte mich von der Seite an, während er auf Ivanka zuschritt.
„Das ging ja schneller als ich dachte“, bemerkte er und ich konnte die Zufriedenheit in seiner Stimme nicht überhören. Irgendwie verursachte sie mir Übelkeit. Ich liebte Lucien, aber er war so durch und durch Vampir. Mit gemischten Gefühlen sah ich zu, wie er vor Ivanka die Arme ausbreitete, und sie hatte soviel Vertrauen zu mir und dass ich auf sie aufpassen würde, dass sie nicht zögerte, sich von ihm umarmen zu lassen. Mit einem kleinen Schrei versuchte sie, zurückzuweichen, als er seine Fänge in ihre Kehle schlug. Sein Recht als Clanführer. Das hatte ich gewusst, als ich sie mit hierher brachte. Wenn ein Vampir seinen noch jungen Gefährten mit zu seinem Ältesten bringt, so hat dieser einen Anspruch auf den Neuling und darauf über dessen Leben und Tod zu entscheiden. Viele der Ältesten duldeten nicht einmal, dass ihre Kinder eigene Gefährten erschufen. Lucien hatte mir davon erzählt. Ich wusste aber auch, dass es ihm seit jeher egal war. Er hatte nie Anspruch auf einen ‚Neugeborenen‘ erhoben. Er kümmerte sich nicht weiter um seine Brut, sobald sie ihn verließ und auf eigenen Füßen stand.
Nichtsdestotrotz, er hatte dieses Anrecht auf sie. So wie auch auf mich. Und hatte Armand es ihm auch vorenthalten, so hatte ich es ihm doch nur allzu gern gewährt. Hatte seine Nähe, seinen Rat und seine Schule gesucht, als ich in die Nacht geboren wurde. Doch so weit wollte ich bei Ivanka nicht gehen. Was sollte ich tun, wenn er sie wider Erwarten doch forderte? Zitternd wartete ich ab, während er von ihr trank, sie so fest hielt, dass sie sich kaum bewegen konnte. Sie hatte Todesangst in den Augen, weil sie nicht wusste, was hier geschah.
Endlich gab er sie frei. Als sie sofort ein paar Schritte vor ihm zurückwich, lachte er leise. Doch dann beachtete er sie nicht weiter, legte mir den Arm um die Schulter und führte mich in den großen Thronsaal. Ich bedeutete Ivanka mit einer
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