Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
im Sterben.“
Ich wurde bleich bei seinen Worten. Camille? Camille war krank? Sterbenskrank?
„Und was sagen die Ärzte?“, fragte ich mit stockender Stimme.
„Krebs. Im Endstadium.“
Er wendete sich ab. Konnte mich nicht ansehen, weil er sich der Tränen in seinen Augen schämte. Wie albern, sich dafür zu schämen. Ich streckte mein Hand nach ihm aus.
„Es tut mir leid“, flüsterte ich. „Ich werde natürlich sofort nach Gorlem Manor kommen. Ich muss nur zuerst mit Lucien sprechen. Aber er wird es sicher verstehen.“
„Wird er das?“ Franklin reagierte heftig auf meine Worte. „Und wenn nicht? Wirst du dann hier bleiben?“
Seine Worte verletzten mich. Kühl zog ich mich einige Schritte von ihm zurück. „Ich werde in zwei Tagen in London sein, Franklin. Das verspreche ich. Und nun entschuldige mich bitte. Ich muss zu Lucien.“
Leise betrat ich die Bibliothek. Lucien saß in dem weinroten Ohrensessel, die langen Beine in den weißen Wildlederhosen übereinandergeschlagen. Das silbergraue Baumwollhemd halb offen. Ein Buch lag aufgeschlagen in seinem Schoß. Ein sehr altes Buch, das er aufmerksam studierte.
„Komm nur herein,
thalabi
. Und? Hast du deinen Vater gut untergebracht?“
Ich nahm auf der Lehne des Sessels Platz. Lucien klappte das Buch zu und stellte es auf das kleine Beistelltischchen zu einigen anderen. Wie selbstverständlich legte er einen Arm um meine Taille und zog mich auf seinen Schoß. Sein Kuss war leidenschaftlich, aber ohne Hingabe. Er bettete meinen Kopf an seiner Schulter, lehnte seine Wange gegen meinen Scheitel und wartete, was ich ihm zu sagen hatte.
„Franklin ist im Cortyard in Doral. Er fliegt morgen zurück.“ Er schwieg, darum fuhr ich leise seufzend fort. „Lucien, ich muss zurück nach London. Meine Lehrerin und Freundin liegt im Sterben. Darf ich gehen?“
Ich bat um seine Erlaubnis, obwohl ich sicher war, dass ich das nicht nötig hatte. Schließlich war ich nicht seine Gefangene. Aber Franklin war sich nicht so sicher gewesen.
„Ich verstehe dich,
thalabi
“, sagte er sanft und strich mir zärtlich durchs Haar. „Geh zu deiner Lehrerin. Sie braucht dich jetzt, das fühle ich. Ich respektiere sie. Darum geh mit meinem Segen.“ Erleichtert atmete ich auf. „Aber sei gewiss, ich lasse dich nicht aus den Augen.“
*
Franklin schreckte aus einem unruhigen Schlaf hoch. Die Nähe des Lords war allgegenwärtig, obwohl die Insel weit entfernt lag. Trotzdem. Das Gefühl, Lucien von Memphis sei nur eine Armeslänge entfernt, wollte nicht schwinden. Er hatte seinen kühlen Atem im Traum gespürt. Eine feingliedrige Hand, die sein Gesicht streichelte. Er war nicht immun gegen die Schönheit und die Aura des Lords. Schaudernd wischte er sich über die Augen. Ein Glas Wasser. Oder besser einen Scotch aus der Zimmerbar. Vielleicht konnte er dann wieder schlafen.
Er knipste das Licht an und fuhr im selben Moment zusammen, weil Lucien in Fleisch und Blut auf seiner Bettkante saß. Es war kein Traum. Keine Einbildung. Der Vampir war wirklich da.
Das Lächeln hatte etwas Raubtierhaftes, mit gefährlichem Glitzern in den meerblauen Augen, die zu Schlitzen verengt waren. Abschätzend, überlegen, bedrohlich. Aber Lucien rührte ihn nicht an. Er saß einfach nur da und durchbohrte ihn mit Blicken, die seine Seele bloß legten. Schlimmer noch als zuvor in der Burg.
„Was willst du?“, brachte Franklin mühsam hervor. Seine Stimme wollte ihm kaum gehorchen.
„Mit dir reden, Franklin. Dich warnen, mir nicht in die Quere zu kommen bei der kleinen Füchsin.“
Für einen Moment ließ er den Dämon aus seinem Körper treten. Eine rotglühende Bestie mit Reißzähnen und spitzen Hörnern. Franklin stockte der Atem. So etwas hatte er noch nie gesehen. Mit einem Satz war er aus dem Bett und am anderen Ende des Raumes.
Lucien rief den Dämon in sich zurück und genoss es ganz offensichtlich, seine Augen über den Anblick wandern zu lassen, der sich ihm bot. Unangenehm wurde Franklin bewusst, dass er bis auf die Boxershorts nackt war. „Die Jahre sind gnädig mit dir gewesen, Franklin. Solch starke Muskeln, so eine glatte, feste Haut. Wie viel Vampirblut war nötig, dir diesen Körper zu erhalten? Ich spüre, du hast dich Dem Blut für eine erstaunlich lange Zeit entzogen. Das zeugt von einer bemerkenswerten Willenskraft. Doch nun bist du ihm wieder verfallen. Wer es einmal gekostet hatte, den verfolgt es für den Rest seines Lebens.“
Franklin wusste nicht,
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