Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
was er zu diesen Anschuldigungen sagen sollte. Der Vampir würde ihm sowieso nichts glauben.
„Setz dich bitte wieder, Franklin. Du bleibst unversehrt, das schwöre ich. Ich bin nicht hier, um dich zu töten oder zu verwandeln. Sonst hätte ich das längst getan. Und glaube nur nicht, dass Melissas Fürsprache dich schützt. Es ist meine Entscheidung, die ich treffe, weil sie mir Nutzen bringt. Aber lassen wir unsere Kleine ruhig in dem Glauben, dass sie einen gewissen Einfluss auf mich hat.“ Er lächelte gönnerhaft und wartete, bis Franklin sich in einen der hellgrünen Ledersessel am Fenster gesetzt hatte. „Du bist ihr Vater im Mutterhaus“, sagte er betont ruhig und kühl. „Und auch biologisch, ja ich weiß“, fügte er noch hinzu, als Franklin etwas einwenden wollte. „Aber für den Vampir in ihr, bin ich allein
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. Der einzige Vater, den sie kennt.“
„Armand ist ihr Schöpfer“, widersprach Franklin energischer, als er sich selbst zugetraut hätte.
Lucien lachte. „Oh Franklin! Ihr Schöpfer ist er, ja. Aber ihr Mentor und ihr Führer, derjenige, zu dem sie kommt, wenn sie Fragen hat, verzweifelt ist und nicht weiter weiß, bin ich. Ganz allein ich. Und ich werde nie zulassen, dass sich daran etwas ändert.“
„Du versuchst, sie zu brechen.“
Lucien schüttelte langsam den Kopf. „Ich versuche nur, sie am Leben zu halten. Zu verhindern, dass der Dämon sie tötet. Du hast das Wesen gerade mit eigenen Augen gesehen. Ein ebensolches lebt nun in deiner Tochter. Wenn sie zu schwach ist, zu menschlich, zu mitfühlend, wenn sie sich zu sehr bindet an ihr altes Leben, ihre alte Familie, dann wird dieses Wesen sie töten. Und ich denke, das will keiner von uns, nicht wahr?“
Er schluckte hart. Luciens Worte machten ihm Angst. Dieser Dämon – in seiner Tochter. Ein Vorstellung, die ihm eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
„Ich will eines klarstellen. Komm mir nicht in die Quere. Hilf mir, dann soll es dein Schaden nicht sein.“
„Dir helfen?“ Franklin hatte keine Ahnung, wie gerade er einem mächtigen Vampirlord helfen könnte.
„Ich weiß, wie nahe du Armand stehst. Du solltest nicht daran zweifeln, dass dir diese Abhängigkeit auch einen gewissen Einfluss auf ihn bringt. Er begehrt dich immerhin so sehr, dass er sich schon einmal von dir hat fortschicken lassen, als du dein kostbares Töchterchen schützen wolltest.“
Der Vampir kam auf ihn zu, berührte sein Kinn mit kühlen Fingern. Wie hypnotisiert folgte Franklin dem sanften Druck und erhob sich, bis er vor dem Lord stand, der ihn um gut einen halben Kopf überragte. „Er ist so lange fort. Und dein Körper verzehrt sich nach Dem Blut.“
Der rote Schimmer auf den Lippen des Vampirs war verlockend. Auch wenn er versuchte, es zu leugnen, die langen Wochen und Monate in denen er nicht von Armand getrunken hatte, waren eine Qual für ihn. Er war viel abhängiger, als er sich eingestehen wollte. Und jetzt war Das Blut zum Greifen nah. Nur ein Kuss. Ein einziger Kuss, der die unerträgliche Sehnsucht lindern würde.
Wie von selbst näherten sich seine Lippen Luciens Mund. Zäh floss der begehrte Nektar in seine Kehle, viel stärker als jemals zuvor. Ein solches Elixier hatte er nie gekostet. Es ließ seine Nerven vibrieren und nach mehr verlangen. Doch mehr als diesen Kuss gab Lucien ihm nicht.
„Dein wundervoller Körper ist eine sinnliche Waffe,
sadeki
. Er begehrt dich. Binde ihn an dich. Und treibe einen Keil zwischen ihn und Melissa. Dann stehe ich in deiner Schuld. Und ich begleiche meine Schulden,
djamal
. Es wird dir gefallen, wie ich sie begleiche.“
Im nächsten Augenblick war der Lord verschwunden. Franklins Haut prickelte dort, wo er ihn berührt hatte. Der Geschmack des mächtigen Blutes beherrschte seine Sinne. So viel stärker als Armands Blut. Fünftausend Jahre. Man konnte jedes einzelne schmecken in der berauschenden Würze dieses verfluchten Trunkes. Große Göttin, nahm das denn nie ein Ende? Das letzte was er wollte, war eine weitere Abhängigkeit von einem dieser Wesen. Trotzdem konnte er das Feuer nicht leugnen, das Lucien in ihm entfacht hatte. Mühsam kämpfte er dagegen an. Was er von ihm verlangte war Verrat. Verrat an Melissa und an Armand, die er beide liebte. Das konnte er nicht tun. Andererseits hatte er nun zum ersten Mal gesehen, wer – oder besser was – der Vampir wirklich war. Konnte Armand Melissa tatsächlich dabei helfen, diese Bestie zu zähmen? Oder war sie nicht bei Lucien
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